Fromme Wünsche
solide finanzielle Basis - dank der Stiftung Ihrer Frau. Sie gründete eine
Briefkastenfirma unter dem Namen Wood-Sage, um die Aktienmehrheit von Ajax zu
erwerben. Wenn der Zusammenhang zwischen Corpus Christi und Ajax aufgedeckt
wird, steht Ihre Frau auf den Titelseiten sämtlicher Zeitungen, besonders hier
in Chicago. Und wenn die Finanzaufsichtsbehörde weiter in diesem Tempo
ermittelt, ist das nur eine Frage der Zeit.“
„Aber das alles ist doch kein Verbrechen“, meinte
Dr. Paciorek.
Ich sah unglücklich zu Boden. Schließlich sagte ich:
„Ich wollte eigentlich nicht auf dieses Thema kommen. Jedenfalls heute nicht,
nach diesem Schock. Aber da ist auch noch der Mord an Agnes.“
„Wieso?“ Seine Stimme klang rauh.
„Sie hat sich im Auftrag eines Ajax-Managers mit der
Firmenübernahme beschäftigt und ist dabei auf Corpus Christi gestoßen. Man hat
sie ermordet, als sie auf einen Besucher wartete, mit dem sie den Fall
durchsprechen wollte.“
Er wurde totenbleich. Mir fiel nichts ein, was ich
ihm hätte sagen können. Endlich sah er mich mit einem verzerrten Lächeln an. „Mir
ist jetzt alles klar. Xavier ist der Hauptschuldige, aber Catherine kann sich
nicht vor ihrer eigenen Verantwortung drücken. Im Grunde ist sie schuld an
Agnes' Tod. Kein Wunder, daß sie so...“ Seine Stimme erstarb.
Ich stand auf. „Ich hätte so gerne irgendeinen Trost
für Sie.
Rufen Sie mich doch an, wenn Sie meine Hilfe
brauchen. Über den Auftragsdienst bin ich rund um die Uhr zu erreichen.“ Ich
legte ihm meine Visitenkarte auf den Schreibtisch und ging.
Ich fühlte mich wie zerschlagen. Am liebsten hätte
ich mich vor dem offenen Wohnzimmerkamin zum Schlafen ausgestreckt. Doch mein
armer, geschundener Körper mußte hinaus auf die Straße. Auf direktem Weg brauchte
ich nur fünf Minuten bis zu meinem Wagen.
Es war drei, als ich den eiskalten Toyota auf die
Schnellstraße lenkte. An der ersten Ausfahrt Richtung Süden suchte ich mir ein
Motelzimmer und sank angezogen ins Bett.
24 Der
Köder
Als ich erwachte, war es bereits Nachmittag. Mir tat
alles weh. Vor dem Einschlafen hatte ich zwar noch die Smith & Wesson aus
dem Halfter genommen, das Halfter selbst aber vergessen. Es hatte sich die
ganze Nacht in meine linke Brust gebohrt. In meinen Kleidern hing der Mief, und
ich sehnte mich nach einem Bad - aber die stinkenden Kleider danach wieder
anziehen mochte ich nicht. Also fuhr ich in meine Wohnung. Mrs. Climzak schoß
aus ihrer Pförtnerloge einen düsteren Blick auf mich ab, enthielt sich aber
jeder Kritik, so daß ich annehmen konnte, daß in der vergangenen Nacht niemand
bei mir eingebrochen hatte.
Erst nach einem ausgiebigen Bad in der fleckigen
Porzellanwanne bemerkte ich, wie hungrig ich war. Frisch angezogen ging ich
mühsam die vier Treppen wieder hinunter. Wie würde der Don darauf reagieren,
daß Novick ausfiel? Mich umlegen lassen oder den Verlust abschreiben? Das
wußten die Götter. Falls es mit Pasquale Ärger geben sollte, mußte ich
vorbereitet sein. Ich ignorierte Mrs. Climzaks atemlosen Protest und schob mich
an ihr vorbei, um die hinteren Regionen der Eingangshalle zu erkunden, wo sie
ihre Wohnung hatte. Wie ein aufgescheuchtes Huhn flatterte sie hinter mir her. „Miss Warshawski! Miss
Warshawski! Was suchen Sie da? Raus mit Ihnen!
Raus, sonst hole ich meinen Mann oder die Polizei!“
Gleich darauf erschien Mr. Climzak, bartstoppelig,
in einem T-Shirt und ausgebeulten Hosen, in der Wohnungstür. Er sah nicht so
aus, als sei er in der Lage, mich rauszuwerfen, denn er war angetrunken, aber
vielleicht war er noch fähig, die Polizei zu rufen.
„Ich suche nur den Hinterausgang“, erklärte ich
freundlich im Weitergehen.
Während ich den Riegel zurückschob, zischte Mrs.
Climzak mir zu: „Das ist doch die Höhe! Sie fliegen hier raus!“
Ich sah sie von oben bis unten an und sagte
hochmütig: „Hoffentlich, Mrs. Climzak. Hoffentlich.“
In der Gasse empfing mich weder
Maschinengewehrfeuer, noch entdeckte ich verdächtige Fahrzeuge. Dafür fand ich
ein polnisches Lokal, wo ich mit gesundem Appetit Krautsuppe, Huhn mit Klößchen
und Apfelkuchen hinunterschlang. Inzwischen fühlte ich mich wesentlich wohler.
Bei der zweiten Tasse Kaffee nahm eine groteske Idee in meinem Kopf Gestalt an.
Murray mußte mir helfen - und Onkel Stefan. Ich erreichte Murray in seinem Büro
und bot ihm eine sensationelle Story an unter der Bedingung, daß er sie für
sich behielt, bis die Sache
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