Fromme Wünsche
„Halt!“ rief ihm Paciorek zu.
Novick schob sich weiter, wir liefen hinter ihm her.
Dr. Paciorek drückte mir seine Aktentasche in die Hand und kniete sich neben
ihn, um die Verletzung zu begutachten. Novick setzte sich zur Wehr, aber Dr. Paciorek
wurde allein mit ihm fertig. Nachdem er das Bein gründlich untersucht hatte,
sagte er knapp: „Der Knochen ist kaputt, sonst fehlt ihm nichts. Nur die Kälte
macht ihm zu schaffen. Ich rufe den Krankenwagen und die Polizei. Es macht
Ihnen doch nichts aus, bei ihm zu bleiben?“
„Nein.“ Mir war sehr kalt. „Aber könnten Sie mir
Ihren Mantel hierlassen? Ich hab' den Kerl nämlich mit meiner Jacke zugedeckt.“
Nach einem überraschten Seitenblick hängte er mir
seinen Kaschmirmantel über die Schultern. Sobald er im Haus verschwunden war,
ging ich neben Novick in die Hocke. „Bevor du in Ohnmacht fällst, müssen wir
uns noch einigen, was wir der Polizei erzählen.“ Wir wollten sagen, er habe
sich verlaufen, habe bei den Pacioreks geklingelt und Mrs. Paciorek sei so
erschrocken gewesen, daß sie losgeschrien habe. Deswegen sei ich mit meinem
Revolver auf der Bildfläche erschienen. Walter habe in Panik gefeuert und sei
dann von mir angeschossen worden. Klang nicht besonders glaubhaft, aber ich
war sicher, daß Mrs. Paciorek der Version nicht widersprechen würde.
Von ferne waren Sirenen zu hören. Novick hatte nun
doch das Bewußtsein verloren, und ich überließ ihn den Sanitätern und der
Polizei. Ich selbst war vor Müdigkeit beinahe ohnmächtig. Aber ganz tief
drinnen empfand ich tiefen Abscheu vor mir, denn ich hatte mein Opfer
mißhandelt und bedroht wie ein gemeiner Gangster. Der Zorn war einfach mit mir
durchgegangen.
Dann kam die Polizei. Zwischen den Verhören döste
ich immer wieder ein, rappelte mich hoch und riß mich so weit zusammen, daß
ich wenigstens immer wieder die gleiche Aussage machte. Als die Polizei endlich
ging, war es eins.
Ich weiß nicht, was Mrs. Paciorek ihrem Mann erzählt
hatte. Er schickte sie jedenfalls ins Bett und verhinderte dadurch, daß sie verhört
wurde. Die zuständigen Beamten beugten sich der Macht des Geldes und gaben sich
zufrieden.
Dr. Paciorek hatte der Polizei sein Arbeitszimmer
zur Verfügung gestellt. Nach ihrem Abzug kam er herein und nahm in dem
lederbezogenen Drehstuhl hinter seinem Schreibtisch Platz. Ich hing in einem
Sessel und konnte kaum noch die Augen offenhalten.
„Möchten Sie was zu trinken?“
Ich rieb mir die Augen und schob mich etwas höher. „Einen
Brandy, wenn's geht.“
Er angelte eine Flasche Cordon Bleu aus dem
Schränkchen hinter seinem Schreibtisch und goß uns einen ordentlichen Schluck
ein.
„Weshalb sind Sie heute nacht hergekommen?“ fragte
er plötzlich.
„Ihre Frau wollte mich sprechen. Ich sollte gegen
acht hier sein.“
„Sie sagt, Sie seien überraschend aufgetaucht.“
Seine Stimme klang nicht vorwurfsvoll. „Montags trifft sich immer die Ärztevereinigung
von Lake County. Ich gehe sonst nicht hin, aber Catherine sagte, sie habe
verschiedene Mitglieder eines religiösen Kreises eingeladen, dem sie angehört.
Sie weiß, daß ich mich dafür nicht sonderlich interessiere. Sie behauptet, Sie
hätten den Mann mitgebracht und sie bedroht. Der Schuß sei bei einem Gerangel
mit Ihnen losgegangen.“
„Und wo sind ihre Gäste geblieben?“
„Sie behauptet, die hätten sich schon vorher
verabschiedet.“
„Wissen Sie Bescheid über diese
Corpus-Christi-Gesellschaft?“
Er starrte in seinen Brandy, trank ihn in einem Zug
aus und schenkte sich nach. Als ich ihm meinen Cognacschwenker hinhielt, goß
er mir eine gehörige Portion ein.
„Corpus Christi?“ wiederholte er nach einer Weile. „Als
ich Catherine heiratete, mußte ich mich von ihrer Familie als Mitgiftjäger
beschimpfen lassen. Sie war ein Einzelkind, und das Vermögen ihrer Familie
belief sich auf schätzungsweise fünfzig Millionen Dollar. Ihr Geld war mir ziemlich
egal. Ich habe sie in Panama kennengelernt. Sie war die Tochter des
Botschafters, und ich diente in der Armee mein Ausbildungsdarlehen ab. Sie war
voller Idealismus und setzte sich tatkräftig für die Leute in den Armenvierteln
ein. O'Faolin, damals Priester in einer dieser Barackensiedlungen, verstand
es, sie für Corpus Christi zu interessieren. Ich bin ihr begegnet, als ich in
den Slums einen aussichtslosen Kampf gegen die Ruhr und andere scheußliche
Krankheiten führte.“ Er trank einen Schluck. „Dann kamen wir wieder
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