Fromme Wünsche
seiner Frau retten. Und was war, wenn O'Faolin ihm mit
dem Kruzifix eins über den Schädel gegeben hatte und mich dann abknallte?
Dr. Paciorek öffnete mir mit ernstem, verschlossenem
Gesicht die Tür. Offenbar hatte er seit meinem Besuch kein Auge zugetan. „Catherine
und Xavier sind im Wohnzimmer. Sie wissen nicht, daß Sie hier sind. Xavier
wäre sonst kaum geblieben.“
„Das ist anzunehmen.“ Ich betrat hinter ihm das
vertraute Zimmer. Wie gewöhnlich saß Mrs. Paciorek vor dem Kamin. O'Faolin
hatte sich einen hochlehnigen Stuhl an die Couch herangezogen. Als sie mich
hereinkommen sahen, schnappten beide nach Luft. Der Erzbischof sprang sofort
auf und trat mir in den Weg, aber Dr. Paciorek schob ihn resolut zurück. „Wir
müssen uns mal unterhalten.“ Seine Stimme hatte die frühere Festigkeit
wiedergewonnen. „Sie und Catherine haben bis jetzt nur um den heißen Brei
herumgeredet. Ich dachte, Victoria könnte uns vielleicht helfen.“
In O'Faolins Blick lag so viel Haß und Mordlust, daß
mir ganz flau im Magen wurde. Ich bemühte mich, meine Wut zu unterdrücken.
Jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, ihn zu erwürgen - obwohl ich einen
starken Drang dazu verspürte.
„Guten Abend, Exzellenz. Guten Abend, Mrs.
Paciorek.“ Voller Genugtuung merkte ich, daß meine Stimme nicht zitterte. „Wie
wär's, wenn wir uns mal über Ajax, Corpus Christi und Agnes unterhielten?“
O'Faolin hatte sich wieder ganz in der Hand. „Das
sind Themen, zu denen ich nicht viel sagen kann, Miss Warshawski.“ Die
unpersönliche, akzentfreie Stimme klang herablassend.
„Ich hoffe nur, Sie haben einen Beichtvater mit
guten Beziehungen zum Himmel, Xavier.“
Er zog leicht die Brauen zusammen. Meine Worte oder
die Benutzung seines Vornamens hatten ihn wohl geärgert.
„Wie kannst du dir erlauben, mit Seiner Exzellenz in
diesem Ton zu reden?“ stieß Mrs. Paciorek hervor.
„Sie kennen mich doch, Catherine: Mutig, wie ich
bin, schrecke ich vor nichts zurück. Alles Übungssache.“
Dr. Paciorek hob bittend
die Hände. „Könnten wir jetzt zur Sache kommen? Victoria, Sie haben heute nacht
über einen Zusammenhang zwischen Corpus Christi und Ajax gesprochen. Haben Sie
dafür Beweise?“
Ich fischte die Fotokopie von Raul Diaz Figueredos
Brief an O'Faolin aus meiner Tasche. „Eigentlich ist das der Beweis dafür, daß
O'Faolin beim versuchten Erwerb der Aktienmehrheit der
Versicherungsgesellschaft Ajax seine Hand im Spiel hat. Sie verstehen doch
Spanisch?“
Nachdem Dr. Paciorek schweigend genickt hatte,
reichte ich ihm die Fotokopie. Er las sie sich mehrmals durch und zeigte sie
dann O'Faolin.
„Also waren Sie's doch!“ zischte er.
Ich zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht, was ich
gewesen sein soll. Aber ich weiß, daß Ihnen in diesem Schreiben die Firma Ajax
als bestes und einfachstes Übernahmeobjekt empfohlen wurde. Auf panamaischen
Banken liegt ein Kapitalvermögen des Banco Ambrosiano in Höhe von einer
Milliarde Dollar. Sie können nichts damit anfangen. Wenn Sie nämlich das Geld
abheben und ausgeben, so wird sich die Banca d'Italia auf Sie stürzen wie ein
Löwe auf einen frühchristlichen Märtyrer. Sie brauchten also eine
amerikanische Kapitalgesellschaft als Geldwaschanlage, soviel war Ihnen klar.
Und da war ein Versicherungsunternehmen aus vielerlei Gründen günstiger als
eine Bank. Sie können alle möglichen finanztechnischen Spielchen treiben, und
keiner blickt so richtig durch. Figueredo hat den Markt genau beobachten
lassen. Vermutlich gefiel ihm Ajax deshalb, weil die Firma in Chicago ansässig
ist. Bei allem, was sich außerhalb von New York abspielt, braucht die Finanzaufsicht
viel länger, bis sie weiß, wie der Hase läuft.“
Catherine war ganz blaß geworden; ihr Mund war ein
dünner Strich. O'Faolin aber hatte sich in der Gewalt. Er lächelte
geringschätzig. „Nette Theorie. Allerdings ist es kaum gesetzeswidrig, wenn
einer meiner Freunde mir die Firma Ajax als passendes Investitionsobjekt
empfiehlt. Selbst die Firmenübernahme wäre nicht angreifbar, obwohl mir
schleierhaft ist, wo ich das Kapital auftreiben sollte. Soweit mir bekannt ist,
werde ich aber keine Firma übernehmen.“
Mit ausgestreckten Beinen lehnte er sich in seinen
Stuhl zurück.
„Ein Jammer, daß die Menschheit so korrupt ist!“ Ich
versuchte es ebenfalls mit einem geringschätzigen Lächeln. „Mein Anwalt,
Freeman Carter, hat sich heute nachmittag mit Ihrem Anwalt unterhalten, Mrs.
Paciorek. Freeman
Weitere Kostenlose Bücher