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Fronttheater

Fronttheater

Titel: Fronttheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gewonnen.«
    Dr. Sorensen sah seinen Assistenten nachdenklich an. »Sagen Sie mal, Berthold, wie alt sind Sie eigentlich?«
    »Sechsundzwanzig.«
    »Verheiratet?«
    »Verlobt.«
    »Das Fräulein Braut auch im Dienst für den Führer?«
    »Ja«, sagte Dr. Berthold trotzig. »Auch wenn's Ihnen nicht paßt: Sie ist Schauspielerin beim Fronttheater.«
    »Ausgezeichnet!« Sorensen warf einen lächelnden Seitenblick auf seinen Assistenten. »Groß, schlank und rank, intelligent – ein richtiger nordischer Herrenmensch. Schade, daß das Blondhaar etwas dunkel geraten ist.«
    Berthold wollte etwas erwidern, aber Sorensen war schon wieder bei der Arbeit.
    Mit der Pinzette begann er die faßbaren Splitter aus dem Fleisch des Verwundeten zu ziehen. »Glauben Sie eigentlich im Ernst, daß wir siegen, Berthold? Gegen die ganze Welt?«
    »Natürlich«, sagte der junge Unterarzt fest.
    »Zum Kotzen«, murmelte Sorensen leise.
    »Wie bitte?«
    »Ich komme nicht an diesen Splitter ran. Den müssen Sie rausschneiden!« Er zog einen anderen, fingerlangen Splitter aus dem Schenkel und warf ihn zu Boden.
    Der Verwundete stöhnte in der Narkose und warf den Kopf hin und her.
    »Mutter!« schrie er plötzlich.
    Dr. Sorensen neigte sich über das blasse, kindliche Gesicht. »Sei still, mein Junge«, sagte er fast zärtlich. »Deine Mutter würde doch nie verstehen, was man hier mit dir macht.«
    Jupp Doelles rennt von einem Sanitätssoldaten zum anderen.
    »Weißt du, wo die Lore geblieben ist?« Er versucht jedem, den er trifft, zu erklären, welche Lore er meint.
    Die Antworten sind verschieden.
    »Was weiß ich, wo die jetzt herumspringt …«
    »Bin ich ein Auskunftsbüro?«
    »Deine Sorgen möchte ich haben!«
    Man lacht über ihn, man schüttelt die Köpfe, man schiebt ihn ab. Die Verwundeten schreien, stöhnen und sterben. »Sani!« wird überall gerufen und gebettelt. Und da will dieser Doelles wissen, wo ein Mädchen namens Lore geblieben ist.
    »Rußlandkoller!« stellt ein Sanitätsgefreiter fest.
    Doelles schleicht sich in den Operationssaal. Zwischen zwei Amputationen versucht er Stabsarzt Sorensen auszufragen.
    »Es dreht sich um Lore …«, beginnt Doelles wieder mit seiner umständlichen Erklärung.
    Sorensen sieht ihn einen Augenblick verdutzt an. Er hat in den letzten Wochen viele Mädchennamen gehört – von sterbenden Verwundeten, aber nicht von einem kerngesunden Landser.
    »Raus!« brüllt er. Seine Nerven sind fertig. Er hat weder Zeit noch Lust, um sich mit einem Verrückten zu unterhalten.
    Doelles' letzter Besuch in Dabuscha gilt seinem Keller.
    Es ist alles noch so wie damals: die Strohschütte, der Tisch, eine halbe Flasche Wodka, sogar ein vertrocknetes Stück Streuselkuchen – alles ist noch da.
    Doelles sucht nach einer Nachricht von Lore. Vergeblich. Nur sein eigener Abschiedsbrief liegt auf dem Boden. Und in den Decken eine kleine Spange: ein kurzer Plastikstreifen mit Druckknöpfen an den Enden. Eins von den Dingern, mit denen Lore ihre Gretchenzöpfe zusammengehalten hatte.
    Doelles fummelt seinen verschwitzten Brustbeutel unter der Jacke hervor und steckt die Zopfspange sorgfältig hinein.
    »Irgendwann – irgendwo werde ich dir die Spange wiedergeben, Lore«, murmelt er. »Und wenn ich das ganze verdammte Rußland absuchen muß.«
    In Brest-Litowsk drängelten Hunderte von Menschen in einen schon überfüllten Zug. Eisiger Ostwind schnitt wie mit Messern durch die Uniformen der Landser. Drinnen, im Zug, würde es besser sein. Es war ein Kampf um die Plätze.
    Kämpfe waren sie gewohnt. Rücksichtslos machten die meisten von ihren Ellbogen Gebrauch. Hochgestellte Mantelkragen und eisverkrustete Wimpern trübten die Sicht. Jeder sah im Gedrängel nur den Rücken des Vordermannes, jeder spähte nur nach einer winzigen Lücke, um sich hineinzuzwängen, näher an eine der Abteiltüren zu kommen.
    Irene Berthold und Erika Nürnberg waren hoffnungslos eingekeilt in dieser Menschenmasse.
    Irene kam auf dem glatten Boden ins Rutschen. Einen Augenblick lang schwebte sie eingekeilt in der Luft, dann rutschte sie langsam nach unten, unter die Füße der nachschiebenden Soldaten.
    Erika sah die Gefahr, in der ihre Schwägerin neben ihr war. Sie schrie, so laut sie konnte. Sie zerrte ihren Koffer nach oben, hob ihn über den Kopf und wirbelte ihn um sich, rücksichtslos auf die Köpfe der Soldaten.
    Endlich merkten die Soldaten, daß etwas passiert sein mußte. Die schiebende, stoßende Masse kam ins Stocken.
    Und

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