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Fronttheater

Fronttheater

Titel: Fronttheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hinüber.
    »Ist die Genossin Arischa Tulpanowa noch in Stawenkow?« fragte er den Partisanenführer.
    »Ja.« Der Mann mit dem Bartgestrüpp spuckte auf den Boden. »Und ich werde dafür sorgen, daß sie da bleibt.«
    »Die Genossin Tulpanowa geht Sie nichts an«, sagte der Offizier. »Sie gehört zu uns.«
    Der Partisanenführer murmelte einen häßlichen Fluch. Wie herrlich war das Leben, dachte er, bis die Uniformen kamen. Nun gibt es wieder Befehl und der Fatzke von Oberleutnant nimmt sich heraus, als sei er ein kleiner Stalin. Nur weil er einen Orden trägt, nur weil er lesen und schreiben kann. Man sollte ihn einfach stehenlassen. Aber dann schießt der Genosse, bestimmt tut er das. Und man hat ja nicht gegen die Deutschen gekämpft, drei Jahre lang, um von den Genossen am Ende erschossen zu werden.
    »Arischa Tulpanowa wird uns melden, ob das Dorf wirklich frei ist. Es kann eine Falle sein, in die wir rennen. Warten wir ab, Genossen.« Michail Pjelkow brannte sich eine Zigarette an. Eine hellgelbe Zigarette. Ein süßlicher Tabak.
    Der Partisanenführer schnupperte wie ein Hund. Chinesischer Tabak. Diese Luxushunde! Rauchen Tabak aus China und trinken Wein aus dem Kaukasus.
    Man wartete über eine Stunde. Dann kam ein Soldat von der kleinen Funkstation. Langsam las Pjelkow die Meldung.
    »Arischa läßt durchsagen«, sprach er. »Das Dorf ist frei. Im Keller des Dorfsowjets liegen sieben deutsche Schwerverwundete und Sterbende. Darunter ein Mädchen vom deutschen Fronttheater.«
    »Oh! Madka Artist?« Der Partisan grinste. »Wird Kunststücke machen für uns, Genosse …«
    »Arischa bittet um Gnade für sie. Auch für einen Leutnant, der ebenfalls im Keller ist.«
    »Seine Geliebte ist sie!« schrie der Partisan.
    »Wir werden sehen.« Oberleutnant Pjelkow winkte seinen Unteroffizieren. »In zehn Minuten rücken wir ein. Das Dorf ist leer!« Er blickte zur Seite auf den Partisan und erriet dessen Gedanken. »Du bleibst bei mir«, sagte er hart. »Und deine Leute mischen sich unter meine Soldaten! Ich lasse auf sie schießen, wenn sie nicht gehorchen!«
    »Ich werde es Moskau melden!« knirschte der Partisanenführer. Haß brannte in seinem Blick.
    Pjelkow nickte. »Tu, was du willst, Genosse – hier befehle ich! Und wenn es auch nicht üblich ist – vor den Wehrlosen hört für mich der Krieg auf!«
    Arischa ging mit einer Schüssel Wasser von Strohbett zu Strohbett und wusch den Zurückgelassenen die Gesichter. Einigen drückte sie die starren Augen zu. Sie waren gestorben, ohne daß es jemand merkte oder gehört hätte.
    Irene schlief. In ihrem fast blutleeren Körper rasselte der Atem, als seien die Lungen aus Holz.
    Leutnant Kramer saß neben der Trage, mit dem Rücken gegen die Wand, die Pistole neben sich.
    »Mutter …«, wimmerte einer der Verwundeten. »Mutter … Mutter …«
    Kramer streichelte ihm den schweißnassen, hin und herpendelnden Kopf. Arischa wickelte die letzte Binde um das zerfetzte Bein des Sterbenden.
    »Wo ist deine Mutter?« fragte Kramer sie.
    Arischa schob das Ende unter die Mullagen.
    »Tott!« sagte sie hart. »In Kiew. Deutsche Stukas, in unser Haus. Ohne Alarm. Aus blauem Himmel. Mamaschka kochte Suppe …«
    »Und dein Vater, Arischa?«
    »Tott. Erschlagen, weil er nachts Kartoffeln suchte.«
    »Und trotzdem hilfst du uns?«
    »Was kann dieser Junge dafür?« Sie deckte den Verwundeten zu. Sein Atem wurde rasselnder. Fieberschauer durchschüttelten ihn. Er biß sich die Lippen blutig und spürte es nicht mehr.
    Irene bewegte sich. Kramer und Arischa gingen zu ihr. Sie hatte die Augen aufgeschlagen, starrte sie an, aber sie erkannte sie nicht mehr.
    Arischa wusch ihr wieder das Gesicht mit kaltem Wasser. Irene mußte es spüren, es tat ihr wohl, sie lächelte zaghaft. Wie ein freudiges Erinnern huschte es über ihr bleiches Gesicht.
    Der Kampflärm war weggezogen. Nur von fern hörte man noch Detonationen und das Rattern der deutschen MG 42. Der Durchbruch schien gelungen zu sein.
    Arischa und Kramer mochten das gleiche denken, als sich ihre Blicke wieder trafen.
    »Jetzt sind wir allein«, sagte Kramer heiser.
    »Nicht lange, Leutnant.«
    »Deine Leute werden kommen …«
    »Sicher. Sie wissen, daß ich hier bin. Sie wissen auch, daß die Verwundeten zurückgeblieben sind. Sie wissen alles. Ein Dorf mehr, das Rußland wieder gehört. Bald werden die Bauern zurückkommen, und die Traktoren werden wieder über die Felder gehen, und die Säcke mit dem Korn werden sich in der

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