Froschkuss (German Edition)
Leons Bettkante. „Du machst vielleicht Sachen!“, sagte ich leise und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er blickte mich mit seinen dunklen Augen belustigt an, ergriff mein Handgelenk und küsste mich. Dann lüpfte er seine Decke, aber ich stieß ihn sanft zurück. „Das hat Zeit“, sagte ich leise, „du musst dich jetzt erst einmal ausruhen.“ Ich ergriff seine Hand, und alles fühlte sich auf einmal genau richtig an.
Ich musste kurz auf meinem Stuhl eingenickt sein, denn als ich aufwachte, lag mein Kopf auf Leons Bettkante, und draußen ging die Sonne auf. Ein Rotkehlchen ließ sich flatternd auf dem Fenstersims nieder, spähte kurz hinein und hielt das Köpfchen schief. „Na, du Kleiner“, begrüßte ich den Vogel, aber da war er schon wieder fortgeflattert. Leon schlief tief und fest, deshalb löste ich vorsichtig meine Hand aus seiner, stand auf und zog die Tür leise hinter mir zu. Als ich meinen Kopf anhob, stand Karla vor mir, perfekt frisiert und in einem strahlend weißen Kittel, aus dessen oberer Tasche ein Stethoskop hervorlugte. „Was machst du denn hier?“, fragte ich sie überrascht.
„Henning hat mich angerufen und erzählt, dass du hier bist. Er hat dich wohl irgendwo gesehen und hier ausfindig gemacht.“
„Schön“, sagte ich nur, denn ich wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte.
„Wie geht es dir?“, fragte mich Karla unverbindlich.
Eigentlich ganz gut“, erwiderte ich, „leider habe ich Leon aus dem Bett geschubst. Es war ein Versehen, aber trotzdem ... Er hat eine Wunde am Kopf, die genäht worden ist, und eine Gehirnerschütterung.“
Karla grinste: „So wenig kannst du ihn leiden?“
Ich wand mich unter ihrem kritischen Blick. „Eher das Gegenteil“, sagte ich schließlich.
Karla seufzte. „Das ist doch schön!“
Ich senkte den Kopf und betrachtete meine Schuhe. „Ja, schon“, begann ich, „aber was ist mit dir? Ich meine mit dir und Karim ...“ Ich holte Luft. „Es tut mir so leid, was ich gesagte habe. Entschuldige bitte.“
Sie breitete die Arme aus und drückte mich an sich. Ihr Haar roch nach grünem Apfelshampoo, ein Duft, der mich in diesem Moment einfach nur glücklich machte.
„Es ist aus zwischen Karim und mir. Ich habe Schluss gemacht.“
„Du hast was?“, schrie ich, aber Karla hielt ihren Zeigefinder vor ihren Mund und ich dämpfte meine Stimme. „Wieso das denn?“
„Er hat mich die ganze Zeit betrogen. Es war genau so, wie du immer vermutet hast.“
„Wie hast du es herausgekriegt?“
„Ich habe sein Handy gecheckt“, antwortete meine Freundin schuldbewusst. „Eigentlich tut man so etwas nicht, aber ich brauchte endlich Gewissheit. In seinem Postausgang habe ich lauter SMS an eine Kiki gefunden, mit eindeutigem Inhalt.“
Ich musste an meine Begegnung mit Karim im Louf denken und an die Fotos, die ich gemacht und zum Glück wieder gelöscht hatte. „Scheiße!“, sagte ich nur und nahm meine Freundin noch einmal in den Arm.
„Ist schon okay“, sagte sie seufzend. „Er war einfach nicht der Richtige.“ Sie lächelte: „Man muss eben viele Frösche küssen.“
Als habe er auf sein Stichwort gewartet, kam Henning den Flur entlanggeschlendert, blieb bei uns stehen und begrüßte mich. „Na, habt ihr euch wieder vertragen?“ Er legte den Arm um Karlas Schulter und zog sie eng an sich heran. „Wenn dein Freund wieder gesund ist, müsst ihr unbedingt zu uns zum Essen kommen.“ Er reichte mir seine Hand: „Das würde mich sehr freuen.“ Er verabschiedete sich und Karla lud mich ein, irgendwo frühstücken zu gehen. Da es noch so früh war, gingen wir in eine Bäckerei in der Holtenauer Straße und bestellten uns zwei Latte und Schokocroissants. Es war herrlich, mit meiner Freundin dort zu sitzen, zu reden und zu lachen. Das hatte mir so gefehlt. Sie erzählte in allen Einzelheiten, wie sie Karim mit ihrer Entdeckung konfrontiert hatte. Erst hatte er natürlich alles abgestritten, aber dann doch zugegeben, dass er mehrmals mit dieser Kiki im Bett gewesen war. Karla hatte ihm den Verlobungsring vor die Füße geschmissen und die Verlobung gelöst. Als wir die Bäckerei wieder verließen, merkte ich erst, wie müde ich war, schließlich hatte ich fast die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich ging mit Karla zurück zum Krankenhaus, um Leon abzuholen. Nachdem seine Kopfwunde noch einmal versorgt worden war, durfte er mit der Auflage, sich noch ein paar Tage zu schonen, nach Hause gehen.
Noch im Wohnungsflur
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