Frost, Jeaniene
einmal geschafft, wenn ihr
Leben davon abgehangen hätte, aber wenn Spade sagte, er würde gegen Mittag bei
ihr sein, dann glaubte sie ihm.
»Danke.
Kannst du Cat ausrichten, dass, äh, dass ...«
»Vielleicht
wäre es das Beste, wenn wir Cat und Crispin vorerst nicht einweihen«,
antwortete Spade, Bones wie üblich bei seinem Menschennamen nennend. »Die
beiden haben eine schwere Zeit hinter sich. Kein Grund, sie zu beunruhigen,
wenn ich das Problem allein lösen kann.«
Denise
verkniff sich eine bissige Bemerkung. Sie wusste, was er damit sagen wollte. Oder du
dir alles nur eingebildet hast.
»Bis heute
Mittag, dann«, sagte sie und legte auf.
Das Haus
kam ihr auf unheimliche Weise still vor. Schaudernd blickte Denise aus den
Fenstern und sagte sich, dass ihre bangen Gefühle eine normale Reaktion auf die
schrecklichen Ereignisse des Abends waren. Zur Sicherheit ging sie aber
trotzdem noch einmal durch alle Zimmer und vergewisserte sich, dass die
Fenster und Türen geschlossen waren. Dann zwang sie sich, eine Dusche zu
nehmen, und versuchte, die Erinnerung an Pauls blau angelaufenes Gesicht aus
dem Kopf zu bekommen. Was ihr nicht gelang. Denise zog sich einen Bademantel
über und streifte von Neuem rastlos durchs Haus.
Hätte sie
sich bloß nicht dazu überreden lassen, mit Paul auszugehen, vielleicht wäre er
dann noch am Leben. Und was wäre geschehen, wenn sie sofort in das Lokal
gelaufen und Hilfe geholt hätte, statt auf dem Parkplatz zu bleiben?
Hätte sie
Paul retten können, wenn sie sofort ein paar Leute herbeigerufen und den
Angreifer in die Flucht geschlagen hätte? Er war verschwunden, sobald jemand
auf ihre Hilferufe reagiert hatte; vielleicht hätte sie Paul wirklich retten
können, wenn sie nicht so nutzlos in der Gegend herumgestanden und den
Angreifer mit Reizgas besprüht hätte.
Denise war
so in ihre Gedanken verstrickt, dass sie das leise Klopfen überhörte, bis es
zum dritten Mal ertönte. Sie erstarrte. Es kam von der Eingangstür.
Denise
schlich aus der Küche und lief leise die Treppe hinauf ins Schlafzimmer, wo
sie ihre Glock aus dem Nachtschränkchen holte. Geladen war die Pistole mit
Silbermunition, die einen Vampir vielleicht nur langsamer machen, einen
Menschen aber töten würde. Angestrengt auf jedes Geräusch lauschend, tappte
Denise die Treppe hinunter, ja, es war noch da. Ein seltsamer
Laut, wie ein Wimmern und Kratzen.
Versuchte
jemand, das Türschloss zu knacken? Sollte sie die Polizei rufen oder erst
selbst nachsehen? Aber wenn es nur ein streunender Waschbär war und sie die
Bullen rief, würden die ihr endgültig kein Wort
mehr glauben.
Den Lauf
ihrer Pistole auf die Geräusche gerichtet, pirschte sich Denise an die Fenster
zur Straße heran, von wo aus sie die Eingangstür sehen konnte ...
Auf ihrer Veranda
stand ein kleines Mädchen, an seiner Kleidung war etwas Rotes. So zaghaft, wie
die Kleine an die Tür klopfte, schien sie verletzt oder erschöpft zu sein, vielleicht
auch beides. Nun konnte Denise auch das Wort »Hilfe ...« verstehen.
Denise
legte die Pistole weg und riss die Tür auf. Das Gesicht der Kleinen war
tränenüberströmt, sie zitterte am ganzen Körper.
»Kann ich
reinkommen? Daddy ist verletzt«, stammelte sie.
Denise hob
sie hoch und sah sich nach einem Auto oder irgendetwas anderem um, das ihr
einen Hinweis darauf hätte geben können, wo das Kind herkam.
»Komm
rein, Schätzchen. Was ist denn passiert? Wo ist dein Daddy?«, säuselte Denise,
während sie das Mädchen ins Haus trug.
Die Kleine
lächelte. »Daddy ist tot«, verkündete sie, und ihre Stimme klang plötzlich tief
und unheilvoll.
Denises
Arme sackten nach unten, als sie das plötzliche Gewicht darin spürte. Mit
Entsetzen sah sie, wie das kleine Mädchen sich in den Mann verwandelte, der
Paul ermordet hatte. Als sie wegrennen wollte, packte er sie und schloss die
Tür hinter sich.
»Danke,
dass du mich hereingebeten hast«, sagte er und hielt Denise gerade rechtzeitig
den Mund zu, um sie am Schreien zu hindern.
2
Spade
klappte sein Handy zu und dachte über das Gespräch nach, das er gerade geführt
hatte. Denise MacGregor. Er hatte nicht erwartet, je wieder etwas von ihr zu
hören. Nun glaubte sie, ihr Cousin wäre von einer Art Werhund getötet worden
... nur gab es keine Werhunde oder sonstigen Wertiere.
Vielleicht
fand sich ja eine andere Erklärung. Denise hatte gesagt, sie wäre dem Angreifer
mit Pfefferspray und Silbernitrat zu Leibe gerückt.
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