Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
unhöflich, rechthaberisch und blutrünstig war. Das Schwert redete ununterbrochen darüber, dass wir endlich ein paar Schnitter zum Töten finden sollten.
Aber in Wahrheit gab es nur einen Schnitter, den ich umbringen wollte – das Mädchen, das meine Mom ermordet hatte.
Ein zerschmettertes Auto. Ein Schwert, das durch den Regen sauste. Und Blut – so viel Blut.
Die Erinnerung an den Mord an meiner Mom stieg in mir auf und drohte mich zu überwältigen, aber ich drängte sie zurück und zwang mich dazu, mich auf meine Freunde zu konzentrieren, die immer noch den Onyxbogen und das Elfenbeinhorn anstarrten.
Ich hatte Vic heute mitgenommen, weil ich dachte, es würde ihm vielleicht Spaß machen, sich die Ausstellung anzusehen. Außerdem brauchte ich jemanden, mit dem ich mich unterhalten konnte, während Daphne und Carson kicherten oder Zungenringkämpfe austrugen. Die beiden waren so scharf aufeinander, dass es mich manchmal schon anwiderte, besonders wenn man den traurigen Zustand meines eigenen Liebeslebens bedachte.
»Es ist schließlich nur ein Bogen«, fuhr Vic fort. »Nichts Wichtiges. Keine echte Waffe.«
Ich verdrehte die Augen. O ja. Vic redete auch – und zwar meistens darüber, wie toll er war.
»Na ja, ein paar von uns mögen Bögen«, schnaubte Daphne mit einem Blick auf mein Schwert.
»Und das ist es, was mit dir nicht stimmt, Walküre«, antwortete Vic.
Das Schwert starrte sie böse an. Vic besaß nur ein Auge, und das hatte eine seltsame Farbe – nicht wirklich Purpur, aber auch nicht wirklich Grau. Es erinnerte mich an die Farbe der Dämmerung, dieser sanfte Ton des Himmels, bevor die Welt für die Nacht dunkel wird.
»Und du, Kelte«, sagte Vic und richtete seine Aufmerksamkeit auf Carson. »Gwen hat mir erzählt, dass du am liebsten einen Kampfstab schwingst. Einen Stab! Der hat ja nicht mal eine verdammte Spitze am Ende. Es ist wirklich jämmerlich, was sie euch Kriegerkindern heutzutage auf Mythos beibringen.«
Jeder Jugendliche, der auf die Mythos Academy ging, war irgendeine Art von Krieger, inklusive uns dreien. Daphne war eine Walküre, Carson ein Kelte und ich eine Gypsy. Wir alle stammten von den Kriegern des Pantheons ab, die als Erste gegen Loki und seine Schnitter gekämpft hatten. Nun trugen wir diese Tradition in die moderne Zeit, indem wir auf die Akademie gingen und alles an Fähigkeiten und Magie lernten, was nötig war, um Schnitter zu bekämpfen. Und wir waren nicht die Einzigen. Wikinger, Römer, Ninjas, Samurai, Spartaner, Perser. Alle diese Kriegertypen und noch weitere konnte man auf der Akademie finden.
»Beschämend, finde ich«, tönte Vic wieder.
Carson sah mich an. Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich besaß Vic erst seit ein paar Monaten, aber ich hatte schnell gelernt, dass es unmöglich war, die große Klappe des Schwertes zu bändigen. Vic sagte, was er wollte, wann immer er wollte, so laut er es eben wollte. Und wenn man es wagte, ihm zu widersprechen, bereitete es ihm die größte Freude, das Thema weiter zu diskutieren – während man seine Klinge an der Kehle hatte.
Vic und Daphne starrten sich noch einen Moment böse an, bevor sich die Walküre wieder zu Carson umdrehte und weiter mit ihm darüber sprach, wie cool der Bogen war. Ich wanderte durch den Rest des Raumes und musterte die anderen Artefakte. Vic monologisierte weiter darüber, dass die einzig wahren Waffen Schwerter waren, und bei ihm handelte es sich natürlich um das beste Schwert, das je gefertigt worden war. Ich gab zustimmende Geräusche von mir, wann immer es angebracht schien. Das war einfacher, als mit ihm zu diskutieren.
Daphne und Carson sahen sich immer noch den Bogen an, und Vic beendete schließlich seine Tirade und hielt wieder den Mund. Ich las gerade die Plakette zu einem silbernen Fadenknäuel, das Ariadne gehört hatte. Sie war eine griechische Jungfrau gewesen, die Theseus dabei geholfen hatte, den Weg durch das Labyrinth zu finden, in dem der Minotaurus gehalten worden war. Da hörte ich hinter mir Schritte, und jemand trat neben mich.
»Gwendolyn Frost«, raunte eine bissige Stimme. »Was für eine Überraschung, dich hier zu treffen.«
Ich drehte mich um und stand einem Mann in den Mittvierzigern gegenüber mit schwarzem Haar, kalten blauen Augen und einer Haut, die so weiß war wie der Marmorboden. Er trug einen dunkelblauen Anzug und ein paar Lederschuhe, die stärker glänzten als die meisten Vitrinen im Raum. Ich hätte ihn als gut aussehend bezeichnet,
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