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Frostherz

Frostherz

Titel: Frostherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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schwarzer Kaffee. ›Schwarz wie Mitternacht in einer mondlosen Nacht‹, dachte er und musste schmunzeln. Wie immer, wenn er Agent Dale J. Cooper zitierte. Er würde sich jetzt einen Espresso kochen, die Diktierfunktion seines iPhones einschalten und die Ereignisse der letzten Stunden seiner virtuellen Sekretärin Diane anvertrauen, beschloss er, während er den Schlüssel ins Schloss steckte.
    Er kam nicht dazu, ihn umzudrehen, denn von innen wurde geöffnet. Das war’s mit dem Espresso, dachte er, leckte sich schnell über die Lippen und blickte ruhig auf seinen Vater hinunter, den er mittlerweile um gut einen Kopf überragte. Nur in der Breite gewann sein Vater locker.
    »Schreibst du nicht morgen Biologie?«, fuhr der Alte ihn an. »Es ist schon fast eins.«
    »Geh sterben«, zischte Cornelius und wollte sich an ihm vorbeidrängen.
    »Wo kommst du her?« Der Vater hielt ihn am Ärmel des dunkelblauen Jacketts fest, das Cornelius selbst zu nächtlicher Gartenarbeit trug.
    »Und du?«, gab der Sohn giftig zurück. »Du vergisst wie immer, dass ich seit bald einem dreiviertel Jahr 18 bin.«
    »Oh, Herr Sohn«, spottete der Vater. »Keine Sorge, das vergesse ich genauso wenig wie die Tatsache, dass du mit 18 Jahren noch immer in der elften Klasse hockst.« Cornelius riss sich los und ging mit so würdevollen Schritten wie möglich die Treppe nach oben.
    »Wo warst du?« verfolgte ihn die Stimme, die so wahnsinnig einlullend sein konnte, wenn er es wollte. Doch bei seinem Sohn wollte er es selten. Da durfte sie ruhig hart und emotionslos klingen. Cornelius drehte sich halb um, den Zeigefinger an die Lippen gelegt.
    »Du weckst Mutter«, sagte er und ging weiter hinauf. Sich auf keine Diskussion einlassen, einfach weitergehen. Nachher, wenn alles still war, würde er wieder runterschleichen und sich seinen Espresso machen.
    »Die hat Ohrstöpsel«, rief sein Vater nicht weniger laut als zuvor. Cornelius war erstaunt, wie schnell der Alte nun neben ihm die breite Treppe hinaufkam. Er schob seinen Bauch an ihm vorbei, Cornelius sah Schweißtropfen auf der Halbglatze schimmern, roch den schlechten Atem nach Bier und Magenproblemen.
    »Ich möchte, dass du die Schule ernster nimmst«, sagte sein Vater, er streckte sich nach oben, damit die Worte das Ohr des Sohnes auch ja nicht verfehlten. Wie gerne hätte er dem kleinen Mann einfach einen Schubs gegeben, einen ganz winzigen nur, damit er die Treppe hinuntersegelte, liegen blieb, schweigend, und er sich endlich Diane und dem Espresso zuwenden konnte. Stattdessen ging er einfach weiter nach oben, zeigte dem Vater seinen Rücken und ließ die Worte daran abperlen. Er wusste, dass er für den Moment gewonnen hatte. Und trotzdem fühlte es sich an wie immer: wie eine Niederlage.
    »Diane«, sprach er kurz darauf in das kaum sichtbare Mikrofon des iPhones und musste sich anstrengen, Enthusiasmus in seine Stimme zu legen. »Es war phänomenal. Just damn good. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass sie mitgeht. Aber sie hat es getan. Sie hat sich wacker gehalten.« Er hielt inne, rührte weiter den längst aufgelösten Zucker in seinem Espresso um und starrte auf die schwarze, verwirbelte Oberfläche, als fände er dort die Worte für die Ereignisse des Abends. Die Wahrheit, die in den Worten liegen sollte, die er aussprechen wollte. Dabei spürte er wie immer genau, dass er die Wahrheit wegdrängte, dass er nicht einmal diesem dummen Stück Technik in seiner Hand die Wahrheit anvertraute, sondern dass er sie sich nur ganz an den Rändern seines Bewusstseins zu denken gestattete. Wie gut, dass niemand seine Angst gespürt hatte. Seine Unsicherheit. Dass Anne nur auf ihre eigene Angst und Unsicherheit konzentriert gewesen war und gar nicht bemerkt hatte, dass er ihre Hand genommen hatte, um sich Mut zu machen, nicht ihr.
    »Diane«, sprach er weiter und versuchte, das ironische Lächeln in den Worten hörbar zu machen. »Diane, die Aktion verspricht ein voller Erfolg zu werden. Ich werde morgen überpünktlich das Schulgelände betreten – meinem Vater sicher zur Freude, aber mehr noch mir selbst zur Belustigung. Denn ich darf sein Gesicht nicht verpassen, wenn er die Mühen unserer nächtlichen Anstrengung entdeckt. Es wird ein Fest werden und ich werde weiter berichten. Jetzt aber erst einmal eine gute Nacht Ihnen.«
    Schon beim Aufstehen spürte sie ein Kribbeln im Magen. Aber nicht wegen der Bioklausur. Auf die war sie gut vorbereitet, wie immer. Die Müdigkeit hatte heute

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