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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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ganze Zeit darüber – und über mich – gewacht. Vielleicht hatte sie das ja. Der Gedanke tröstete mich auf eine Art, wie es sonst nur einer Umarmung von Grandma Frost gelang.
    Nike sah genauso aus wie in meiner Vision. Eine lange, weit fallende Toga umfloss ihren Körper, die Flügel erhoben sich über ihren Schultern, und eine kalte, schreckliche Schönheit erfüllte ihr Gesicht. Ich weiß nicht, warum ich nie zuvor bemerkt hatte, dass sie da oben stand. Vielleicht hatte ich einfach nicht hingesehen. Vielleicht war ich auch einfach noch nicht bereit gewesen.
    »Ahem«, räusperte sich eine Stimme.
    Ich sah auf das Schwert in meiner Hand hinunter. Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich die Waffe noch immer festhielt. Es war seltsam, aber die Klinge fühlte sich irgendwie an, als wäre sie eine natürliche Verlängerung meines Arms. Fast wie ein Teil von mir selbst.
    Vic hatte sein dämmerungsfarbenes Auge wieder geöffnet und musterte mich konzentriert. Na ja, so konzentriert es eben mit nur einem Auge möglich war.
    »Du hast dich heute Abend nicht schlecht gehalten für einen vollkommenen Frischling«, sagte das Schwert, und sein Mund kitzelte meine Handfläche. »Auch wenn du deinen spartanischen Freund wirklich dringend bitten solltest, dir das eine oder andere zu zeigen. Denn er hat das Potenzial zum echten Krieger.«
    »Später, Vic«, sagte ich. »Viel, viel später.«
    Er schien zu nicken. »Also dann, wenn du erlaubst, ich würde gerne ein kleines Nickerchen machen. Diese ganze Aufregung hat mich erschöpft. Ich bin nicht mehr so jung, wie ich mal war, weißt du.«
    »Natürlich«, sagte ich freundlich. »Mach dein Nickerchen, Vic. Über alles andere können wir später reden.«
    Ich hatte die Worte kaum ausgesprochen, da schloss sich das Auge auch schon. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber es fühlte sich an, als würde sich Vics Mund unter meiner Hand zu einem kleinen Lächeln verziehen.
    Ich wollte das Schwert gerade senken und die Bibliothek verlassen, als etwas auf der Klinge schimmerte, dicht über Vics Gesicht und dem Rest des Heftes. Ich hob die Waffe ins Licht und drehte sie hin und her, um genauer zu betrachten, was meine Aufmerksamkeit erregt hatte.
    Es waren die Symbole, die ich schon einmal auf der Klinge gesehen hatte, die schwachen Buchstaben, die ich nicht hatte entziffern können. Jetzt glühten sie in kaltem, silbernem Feuer, und zum ersten Mal konnte ich die Worte, die in die Klinge des Schwertes geritzt waren, deutlich lesen – Semper Victor . Immer Sieger.
    Natürlich. Nike war die griechische Göttin des Sieges, und dies war ihr Schwert.
    Und jetzt gehörte es mir. Die Göttin selbst hatte es mir gegeben, um mir dabei zu helfen, ihr Champion zu sein.
    Ich konnte nur hoffen, dass ich Vic und dem seltsamen, unerschütterlichen Vertrauen, das Nike scheinbar in mich setzte, auch gerecht wurde.

Die Geschehnisse in der Bibliothek der Altertümer am Abend des großen Balls waren für die nächste Woche Schulgespräch.
    Aber nicht so, wie ich es erwartet hatte.
    Obwohl sich Morgan McDougall offensichtlich an nichts erinnern konnte, schaffte sie es, den Ruhm für sich einzuheimsen – sie hatte Jasmine das Handwerk gelegt, die Schale der Tränen zerstört und den Nemeischen Pirscher getötet. Es war, als wären Logan und ich nicht einmal dort gewesen und sie hätte die Akademie allein vor einem Schicksal bewahrt, das schlimmer war als der Tod.
    Nicht alle Schüler nahmen ihr das ab, und so verbreiteten sich wilde Gerüchte so schnell sich SMS eben tippen ließen. Sie reichten von der Theorie, dass eine Gruppe Schnitter eine magische Bombe auf dem Campus versteckt hatte, über verrückte Rituale betrunkener Schüler bis hin zu der Geschichte, dass Jasmine von den Toten zurückgekehrt war und die Bibliothek auseinandergenommen hatte, weil sie sauer war, vor ihrem Tod nicht mehr Ballprinzessin geworden zu sein. Dieses letzte Gerücht war ein wenig wahrer, als alle ahnten.
    Ich zog für die Dauer des Durcheinanders einfach den Kopf ein. Etwas sagte mir, dass es besser war, wenn so wenige Leute wie möglich wussten, dass ich in die ganze Sache verwickelt gewesen war. Ich erinnerte mich noch zu genau an die glühenden roten Augen in der Magiewolke, als ich die Schale der Tränen zerstört hatte. Wie die Augen sich auf mich gerichtet hatten und ich den Hass, die Wut und den Zorn darin gesehen hatte. Ich erinnerte mich daran, wie Jasmine gesagt hatte, sie sei ein Schnitter und auf der

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