Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
sondern um William. Perseis hatte ihn zu dem Zeitpunkt schon gesehen.
Harold, der Arrows Gedanken mit ansehen konnte, rief mit zitternder Stimme: „Genau wie der Mahr! Auch er hat dich schon vor ihm gewarnt!“
Unweigerlich tauchte der von dem Dämon besessene Merlin hinter William auf.
„Arrogantes, dummes Ding“, murmelte der Schimmel. „Denkst, dass dein schwarzer Begleiter dich beschützen wird, dass er dein Freund ist und du ihm am Herzen liegst. Dabei ist er nur der Fährmann auf deinem Weg zur Hölle!“
Diese Erkenntnis brach Arrow das Herz. Die ganze Zeit hatte William sie an der Nase herumgeführt. Und sie hatte sich darauf eingelassen, weil sie die Warnungen nicht hatte deuten können. Doch warum nahm es sie nur so sehr mit? War es vielleicht doch möglich, dass sie ihm mittlerweile derart verfallen war, dass sie schon von Liebe sprechen konnte? Und wenn das der Fall war, war es dann nicht auch egal, welches Schicksal sie ereilen würde, wenn sie sich ihm ergab? War Liebe nicht der einzige Grund, weswegen man bis ans Ende der Welt ging und wieder zurück? Und war es nicht ebenso unbedeutend, ob sie überhaupt zurückkehrte, solange sie mit der Person zusammen sein konnte, der sie ihr Herz geschenkt hatte?
Verführerisch und selbstsicher schaute William Arrow an. Er war sich seiner Sache so sicher, dass es ihn umso anziehender machte. Der Drang, endlich nachzugeben, wurde unerträglich groß und Arrow vergaß die Welt um sich herum. Sanft legte sie ihre Hände auf Williams Brust und kam seinen Lippen immer näher. Doch als ihr Mund nur noch einen Augenblick von dem seinem entfernt war, vernahm sie plötzlich eine zauberhafte Melodie, die dieses Mal jedoch nicht ihren eigenen Gedanken entsprungen war.
Die blauen Lilien, die auf einmal im Überfluss auf weiten Feldern erblühten, dufteten wunderbar und Arrow fiel sofort wieder ein, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem märchenhaften Lied standen.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen und Williams Gesicht verschwamm, denn in diesem Moment wurde ihr endlich bewusst, was sie zu tun hatte. Viele endlose Fragen hatten sie bis zu diesem einen, lang herbeigesehntem Punkt gequält, doch plötzlich war ihr Kopf frei von Zweifeln und die Entscheidung gefallen. Auf einmal war alles so deutlich, dass sich der Schmerz anfühlte, als würde ihr Herz von einem spitzen Pfeil durchbohrt.
Ohne noch mehr Zeit zu verlieren, wandte sie sich blitzartig von William ab, warf Harold einen flehenden Blick zu und flüsterte: „Bitte sorge dafür, dass er nicht sterben wird.“ Dann küsste sie ihren so lange unverstandenen Freund und plötzlich entbrannte ein Feuer in ihr, wie sie es nie zuvor gekannt hatte. Die schwere Last auf ihrem Herzen verschwand, und sie fühlte sich wie neu geboren. Um sie herum tobte ein regelrechtes Feuerwerk aus schillernden Farben. Bilder von Anne und Melchior tauchten auf und verdrängten die quälenden Zweifel, um Platz zu machen für all das Gute in ihrem Leben. Sie fühlte sich so lebendig und wurde das Gefühl nicht los, etwas ganz Wundervolles erschaffen zu können. Das also war der Kuss einer Muse. Deshalb riskierten Künstler so unglaublich viel – es war eine überwältigende Erfahrung! Aber vor allem war es das Gefühl, am Leben zu sein.
Zitternd löste Harold sich von ihren Lippen, und hätte Arrow nicht genau gewusst, dass er es gewesen war, den sie geküsst hatte, so hätte sie ihn nicht wiedererkannt. Er war jung und schön. Seine glatte Haut schimmerte in zarten rosigen Tönen und er wirkte überaus gesund. Das stumpfe Haar war einer leuchtenden Haselnusspracht gewichen, und in seinen Augen leuchtete ein zartes Licht, das mit jedem seiner Atemzüge stärker wurde.
Von all diesen wunderbaren Gefühlen überwältigt, nahm Arrow Harold das Medaillon wieder ab. Sie öffnete es, entnahm die zarte Schlüsselblume und legte sie behutsam in Harolds Hand. „Im Himmel gibt es jemanden, der auf dich wartet“, flüsterte sie ihm mit leuchtenden Augen zu.
Völlig unerwartet tauchte ihre Begegnung mit Darren aus ihren Gedanken vor ihrer beider Augen auf und Harold war dermaßen überwältigt, dass es ihm Tränen in seine Augen trieb.
„Warum hast du das getan?“, fragte er gerührt.
„Weil du, meine Muse, mich dazu inspiriert hast“, antwortete sie zuversichtlich. Dann gab sie ihrem neuen, alten Freund einen Kuss auf die Wange und flüsterte: „Du musst um Einlass bitten.“
Genau das tat Harold auch und verschwand wie
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