Fruehlingsherzen
wenn der Pizzawagen kommt, blinken Sie einmal mit den Scheinwerfern. Dann zähle ich bis zehn und steige durch das Fenster. Ungefähr zur gleichen Zeit müsste die Türklingel läuten.“
„Sie scheinen mit dieser Art von Situationen bestens vertraut zu sein.“
Kyla dachte an die unzähligen Gelegenheiten, bei denen sie ihren Stiefvater ausgetrickst hatte. Aus Fenstern zu klettern und für Ablenkungen zu sorgen waren nur einige der Techniken, die sie sich dabei angeeignet hatte. „Wie schon gesagt, ich bin eine Überlebenskünstlerin.“ Leise öffnete sie die Tür.
Kalte feuchte Luft drang in den Wagen. Für einen Moment lang hätte Kyla Pete am liebsten aufgefordert, wieder abzufahren. Aber Sex brauchte sie. Sie drehte sich noch einmal kurz zu Pete um. „Wünschen Sie mir Glück“, flüsterte sie.
Unvermittelt beugte er sich vor und küsste sie auf den Mund. Seine warmen Lippen weckten ein augenblickliches Verlangen in ihr, das sie erschrocken zurückfahren ließ. Auch Pete zog sich zurück, hielt jedoch unverwandt den Blick auf sie gerichtet. „Wozu das?“, murmelte sie, verblüfft über die heftige Reaktion ihres Körpers.
Er räusperte sich. „Es sollte Ihnen Glück bringen.“
„Danke.“ Nach einem letzten Blick in seine Augen trat sie auf die dunkle Gasse hinaus. Irgendwie kam es ihr draußen längst nicht mehr so kalt vor wie vor dem unerwarteten Kuss.
Der Regen hatte aufgehört, aber dunkle Wolken verdeckten die Sterne und ließen die Gasse noch düsterer als sonst erscheinen. Vorsichtig schlüpfte Kyla durch das Loch im Zaun und schlich durch den Garten zu der alten Eiche.
Das laute Klopfen ihres Herzens und das Dröhnen in ihren Ohren erschwerte ihr das Hören, aber sie strengte sich an und versuchte, die Geräusche zu unterscheiden. In der Wohnung unter ihrer lief die Stereoanlage – Jen und Donnie Halbertson hörten offenbar wieder mal Heavy Metal. Gut. Dann würden die Gangster es wohl kaum mitbekommen, wenn sie durch das Fenster kletterte.
Die Rinde der Eiche war nass und glitschig. Kyla ergriff einen tief hängenden Ast und zog sich langsam den Stamm hinauf, bis sie sich direkt gegenüber ihrem Schlafzimmerfenster befand. Das Klettern hatte sie beschäftigt, aber als sie nun ihr Ziel erreicht hatte, hatte sie Zeit zum Nachdenken, und ihr kam zu Bewusstsein, dass sie im Begriff war, in eine von Killern besetzte Wohnung einzusteigen. Diese Männer hatten Arturo Carmello bedenkenlos erschossen – und hatten mit ihr das Gleiche vor.
Wenn sie nicht aufhörte zu zittern, fiel sie noch vom Baum, und der Boden schien endlos weit entfernt. Doch hinter dem Zaun war die Silhouette von Petes Wagen zu erkennen. Ein tröstlicher Anblick. Pete war da. Und er hatte sie geküsst. Während sie nicht einmal seinen Nachnamen kannte …
Von der Straße her erklang das Brummen eines Motors.Der Lieferwagen der Pizzeria. Kyla begann zu zählen: Eins … zwei … drei … vier …
Das Fenster knarrte leise, als sie es hochschob, und sie hielt erschrocken den Atem an. Aber außer der Musik im Erdgeschoss war nichts zu hören. Sie schob es noch etwas höher und zählte weiter: … neun … zehn … Es klingelte an der Eingangstür. Zwei erstaunte Ausrufe; ein schriller, ein tieferer. Die Krallen der Katze fuhren mit einem kratzenden Geräusch über den Parkettboden, als sie durch den Korridor ins Schlafzimmer raste. Wunderbar! Sex lebte also noch. Doch nun musste Kyla schleunigst etwas unternehmen.
Mit klopfendem Herzen schob sie das Fenster ganz hoch und glitt ins Zimmer. Draußen hörte sie die Männer streiten. Macht die Tür auf, bezahlt die Pizza! flehte sie stumm, während sie vorsichtig zur Kommode schlich, auf die Sex gesprungen war.
„Ich habe keine Pizza bestellt“, erklärte der Mann mit der tiefen Stimme. „Aber da Sie nun einmal hier sind, könnten wir sie auch nehmen, Vinnie. Ich habe einen Bärenhunger.“
„Und wenn es eine Falle ist?“, zischte Vinnie.
Kyla streckte die Arme aus. „Sex“, flüsterte sie. „Ich bin’s.“
„Es riecht nach Pepperoni“, sagte der Mann mit der tiefen Stimme. „Du weißt, wie gern ich Pepperonipizza mag! Komm – ich bezahle sie. Du deckst mich.“
„Du wirst sie wohl selbst bestellt haben! Das sähe dir ähnlich, dich zu benehmen, als wäre das hier eine Party!“
Kyla schob den Teddybären beiseite und versuchte die Katze zu ergreifen. Doch Sex wehrte sich und schlug die Krallen in die polierte Oberfläche der Kommode. „Komm schon,
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