Fruehlingsherzen
„Sie sehen wunderschön aus“, sagte er. „Sind Sie so weit?“
„Ja.“
Er half ihr ins Taxi, als wäre sie aus zerbrechlichem Porzellan. Sie fuhren zum „Celestial“.
„George hat mir erzählt, dass das Ihr Lieblingsrestaurant ist“, sagte er, als er sie zum Tisch führte.
Emily presste die Lippen zusammen. Hätte er sie nicht fragen können, wo sie essen wollte? Dann seufzte sie unhörbar. Fing sie schon wieder an? Er war doch nett, und sie brauchte ihn auf ihrer Seite. Außerdem bezahle er, also hatte er das Recht, das Restaurant auszusuchen. Es war ja auch wirklich ihr Lieblingsrestaurant. Und er sah fantastisch aus.
„Ich bin halb verhungert.“ Er winkte dem Ober. „Keine Drinks vorher. Wir bestellen gleich.“
„Ich hätte aber gern zuerst ein Glas Wein“, warf Emily ein, doch Richard diktierte bereits die Speisenfolge. Für sie beide.
„Süßsaure Suppe. Mongolisches Rind.“
„Ich esse nicht gern mongolisches Rind“, bemerkte Emily höflich.
„Schweinefleisch Mu-shu.“
„Ich hätte lieber Knoblauchhühnchen.“
„Su-san shan.“
„Ich hasse Su-san shan, ehrlich gesagt.“
„Königskrabben.“ Richard strahlte sie an. „Wie klingt das?“
„Sie sollten vielleicht einmal Ihr Gehör überprüfen lassen.“
Richard gab dem Ober die Speisekarte zurück. „Das wäre alles im Moment.“
„Pflaumensoße zum Mu-shu?“, erkundigte der Ober sich.
„Nein“, erwiderte Richard.
„Doch“, sagte Emily, und der Ober lächelte ihr zu und nickte.
Sie war heilfroh darüber, denn sie hatte schon befürchtet, dass sie vielleicht stumm geworden war, ohne dass sie es selbst gemerkt hatte.
„Es ist gut, dass wir uns einmal außerhalb der Firma treffen“, meinte Richard mit einem Lächeln. „Dort ist die Zeit zu begrenzt, um sich besser kennenzulernen.“
Die einzige Begrenzung bist du, dachte Emily böse. Und das hat nichts mit der Atmosphäre in der Firma zu tun.
„Sie haben wunderschöne Haare“, sagte er jetzt und lächelte sie auf diese jungenhafte Weise an, die ihr jedes Mal den Atem nahm. „Sie sehen überhaupt hinreißend aus.“
Vielleicht war er doch nicht so schlimm. Emily dachte gerade noch rechtzeitig daran weiterzuatmen. Er hatte eindeutig Potenzial. Sie sollte wirklich freundlicher zu ihm sein. „Danke.“ Sie beugte sich vor. „Wie nett von Ihnen. Ich sehe, dass Ihnen unsere Zusammenarbeit wirklich am Herzen liegt. Und ich bin auch davon überzeugt, dass sie noch viel besser werden kann.“
„Unbedingt.“ Richard nahm ihre Hand. „Ich bin hundertprozentig Ihrer Meinung.“
Seine Berührung ging ihr durch und durch. Er hatte angenehme Hände. Sehr angenehme Hände. Und sie waren sehr gepflegt. Sie versuchte, sich auf seine manikürten Nägel zu konzentrieren und nicht zu sehr von der Wärme seiner Haut ablenken zu lassen. Ihr Atem ging ein wenig schneller. Unverhüllte Bewunderung stand in seinem Blick. Er war wirklich süß.
Vorsicht, dachte sie. Sie durfte sich nicht gefühlsmäßig auf ihn einlassen, sondern musste einfach nur berechnend seinen Körper nutzen und ihn dann fallen lassen.
„Erzählen Sie mir etwas über sich.“ Seine Finger schlossen sich fester um ihre. „Ich möchte alles wissen.“
Emily blinzelte. „Warum?“
Ihre Frage schien ihn zu überraschen. „Halten Sie es nicht für wichtig, sich näher kennenzulernen, wenn man so eng zusammenarbeitet?“
„Ja, doch. Vermutlich.“ Emily dachte darüber nach. Sie arbeitete seit acht Jahren mit George zusammen, und er hatte nie den geringsten Versuch gemacht, mehr über sie zu erfahren. Das war eine interessante Seite an Richard. „Also gut.“
Über ihrer Suppe und dem anschließenden Schweinefleisch beantwortete sie Richards Fragen. Und als sie den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte, wusste sie, warum er so erfolgreich war. Er stellte die richtigen Fragen, und er hörte – diesmal wenigstens – zu. Vermutlich wollte er sich auf diese Weise ein Bild von ihr machen. Er betrieb eine Art Tiefenforschung an seinem neuesten Projekt – an ihr.
Aber wenigstens hörte er diesmal zu.
Er war charmant, intelligent und höflich, und Emily entspannte sich und genoss seine Gesellschaft. Und je entspannter sie wurde, desto mehr öffnete er sich, und sie entdeckte eine Verletzlichkeit an ihm, die sie ihm nie zugetraut hätte. Seine Wirkung auf sie war verheerend, und sie stellte auf einmal fest, dass sie dagegen ankämpfen musste, sich Hals über Kopf in ihn zu verlieben – und
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