Fruehlingsherzen
Frau, dass diese Fußmassagen einen neuen Menschen aus mir gemacht haben.“ Er drehte seinen Sessel zu ihr herum. „Ich weiß nicht, wieso, aber es funktioniert.“
„Stellen Sie sich Ihre Füße als Schalttafel vor.“ Kyla öffnete ihren Koffer mit den Massageölen und dem Kassettenrekorder. Dann legte sie ein Kissen auf den Boden und setzte sich darauf. „Indem ich ganz bestimmte Punkte an Ihren Füßen bearbeite, löse ich eine Art Signal an den damit verbundenen Körperteilen aus.“ Sie legte ihre Jacke ab und stellte den Kassettenrekorder an. Sanfte Musik erklang.
„Ah.“ Arturo lehnte sich genüsslich zurück und schloss die Augen. „Da haben wir ja die Musik, die mich ins Paradies versetzt!“
Kyla lächelte. Er war so ein netter alter Mann; es fiel ihr schwer, die Gerüchte über seine angeblichen Beziehungen zur Unterwelt zu glauben. Sie öffnete die Flasche mit dem Vanilleöl und gab ein paar Tropfen auf ihre Hand.
„Das riecht wunderbar. Es erinnert mich an Plätzchen. Besser als dieses Blumenzeug.“
„Ich mag den Duft auch.“ Kyla verrieb das Öl in den Händen und begann, Arturos Füße zu bearbeiten.
Arturo seufzte und atmete tief durch, was seinen umfangreichen Bauch auf- und abschwellen ließ wie einen Luftballon. „Es ist nicht gut, Miss Finnegan, dass Sie nach fünf Uhr kommen und dann mit dem Bus nach Hause fahren. Im Winter wird es früh dunkel. Ich mache mir Sorgen um Sie, wo Sie nicht einmal ein Auto haben …“
„Ach, ich komme schon zurecht, Mr Carmello.“ Mit weichen, rhythmischen Bewegungen massierte sie den Spann eines jeden Fußes. „Sie leiden noch immer unter dieser Erkältung?“
„Ja.“
Sie verstärkte den Druck. „Das wird helfen.“
„Ja, ich spüre es schon. Sie sind ein liebes Mädchen, Kyla. Sie erinnern mich an meine Töchter. Sie haben dunkles Haar wie Sie, und Sie tragen es genauso kurz und lockig wie meine Jüngste. Nur dass Sie blaue Augen haben. Ihre irische Abstammung, nehme ich an. Meine Mädchen sind hundertprozentige Italienerinnen. Aber sie sind auch sehr brave Mädchen, alle beide.“
„Danke, Mr Carmello.“ Kyla gab noch etwas Öl auf ihre Hände und beschrieb mit dem Daumen einen Kreis unter dem großen Zeh seines linken Fußes.
„Trotzdem finde ich, dass Sie wenigstens einen Freund haben sollten, der Sie nach Hause bringt. Man ist in Chicago nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr sicher auf den Straßen.“
„Ich werde Ihnen ein Geheimnis anvertrauen, Mr Carmello“, sagte Kyla lächelnd.
„Wirklich? Und das wäre?“
„Ich besitze einen braunen Gürtel in Karate. Und ich trainiere jeden Tag.“
„Das ist nicht Ihr Ernst!“
„Und ob. Mein Bruder und ich fingen schon als Kinder damit an. Jeder, der auf die Idee käme, mich zu überfallen, würde es sehr bereuen.“
Arturo lachte. „Das ist gut. Aber wer würde das schon vermuten bei einem so zierlichen Ding wie Ihnen.“
Gerade weil sie „so ein zierliches Ding“ war, setzte Kyla unermüdlich ihr Karatetraining fort. Sie wollte nie wieder körperlich unterlegen sein.
Arturo schwieg eine Zeit lang. „Wären Sie in der Lage, mich quer durch den Raum zu schleudern?“, fragte er schließlich.
„Nein, aber außer Gefecht setzen könnte ich Sie bestimmt. Vorausgesetzt natürlich, Sie hätten keine Waffe.“
„Nicht zu fassen. Das muss man sich mal vorstellen“, murmelte Arturo beeindruckt.
„Ja. Wie Sie sehen, Mr Carmello, können Sie aufhören, sich um mich zu sorgen und anfangen, sich zu entspannen. Die Massage wird Ihnen nur dann helfen, wenn Sie aufhören zu reden und mich arbeiten lassen.“
„Na schön.“ Arturos Bauch hob sich wieder, als er versuchte, tief durchzuatmen. „Ich hätte früher nie gedacht, dass ich mich nach einer Fußmassage so großartig fühlen würde, aber heute kann ich es kaum erwarten, Sie zu sehen. Wäre es nicht möglich, dass Sie statt an drei Nachmittagen in der Woche an fünf kämen?“
„Natürlich.“ Kyla ließ ihren Daumen fest über die Innenseite seines Spanns gleiten. „Aber jetzt müssen Sie sich entspannen.“
Das tat er, und dann war nichts mehr zu hören außer der einlullenden Musik und den gedämpften Geräuschen des nachmittäglichen Verkehrs. Kyla liebte die Ruhe in dem verlassenen Gebäude. Keine zuschlagenden Türen, kein Liftgebimmel. Vermutlich waren sie und Arturo die einzigen Menschen in dem fünfzigstöckigen Bürohochhaus. Kyla bemühte sich, ihre Umgebung zu vergessen, und konzentrierte sich
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