Fruehlingsherzen
darauf, Arturo Energie zu übermitteln.
Das Gebäude war zu einer guten Einnahmequelle für sie geworden, denn allmählich sprach es sich herum, dass man die Mittagspause zu einer Fußreflexzonenmassage bei Kyla Finnegan nutzen konnte. Es war ein Beruf, der ihrem Bedürfnis nach Freiheit sehr entgegenkam, denn so konnte sie bei der Arbeit ihr Lieblingsoutfit tragen – Jeans und Pullover – und sich ihre Zeit selbst einteilen.
Arturo war jedoch der einzige Kunde, den sie nach fünf Uhr bediente, weil sie gewisse Hemmungen hatte, was Termine um diese Zeit betraf, vor allem, wenn es sich um männliche Kunden handelte. Doch Arturo hatte sie bisher immer mit Respekt behandelt.
Kyla war nicht sicher, was sie als Erstes auf die veränderte Atmosphäre im Raum aufmerksam machte. Dann hörte sie einleises Knarren. War die Tür geöffnet worden? Sie hörte auf, Arturos Fuß zu massieren, und lauschte angestrengt. Waren das etwa Schritte? Ach was, vermutlich war sie nur verunsichert durch Arturos Gerede über die Gefahren auf den Chicagoer Straßen.
Dennoch rührte sie sich nicht und horchte auf weitere Geräusche. Doch das Einzige, was sie hörte, waren die Musik und Arturos Atemzüge. Wahrscheinlich war es doch nur Einbildung gewesen. Sie nahm ihre Massage wieder auf.
Und dann erklang das Geräusch von Neuem. Es waren Schritte, zweifellos – die langsamen Schritte von jemandem, der sich vorsichtig dem Schreibtisch näherte.
Kyla wollte gerade etwas zu Arturo sagen, als sie ein leises Zischen hörte, gefolgt von einem sanften Aufprall. Arturos Fuß in ihrer Hand zuckte einmal kurz, und Kyla schaute verwundert zu ihm auf. Ein sauberes Loch war in seinem weißen Hemd zu sehen, direkt über seinem Herzen. Es färbte sich langsam rot.
In fassungslosem Erstaunen starrte sie auf den Fleck, bis ihr Gefühl für Realität zurückkehrte. Die Erkenntnis, was hier geschehen war, traf sie wie eine eiskalte Dusche. Ein Brausen entstand in ihren Ohren. Es konnte nicht sein. Nein. Sein Fuß war doch noch warm. Er konnte nicht … Aber er war tot. Er atmete nicht mehr.
Um Gottes willen, nein … Nicht dieser nette alte Mann! Sie verschluckte den Schrei, der in ihrer Kehle aufstieg, weil ihr Instinkt die Oberhand gewann. Beweg dich nicht, Kyla … Sie hielt den Atem an und zwang sich, ihr Zittern und das Bedürfnis, aufzuspringen und davonzulaufen, zu unterdrücken.
Bleib ganz ruhig und beherrscht, ermahnte sie sich. Du musst überleben.
„Nun, das wäre es dann wohl“, sagte eine männliche Stimme vor dem Schreibtisch. Sie klang ein wenig schrill, eine Stimme, die man nicht so schnell vergaß. „Gut, dass er gerade ein Schläfchen hielt und die Musik anhatte.“
„Ist er tot?“, fragte eine andere, tiefere Männerstimme. „Er atmet schließlich nicht mehr, oder?“
Kyla befürchtete, ohnmächtig zu werden und wehrte sich gegen den schwarzen Nebel, der sie einzuhüllen drohte. Zwei Männer hatten gerade Arturo Carmello erschossen, hatten ihn kaltblütig ermordet, während sie ihm die Füße massierte. Und die Killer ahnten nichts von ihrer Anwesenheit.
Ein paar Zimmer weiter auf derselben Etage zog Pete Beckett eine Schublade auf und durchsuchte ihren Inhalt. Weil er jedoch kein Recht dazu hatte, trug er Handschuhe. Nur Peggy zuliebe war er hier – denn seine Zwillingsschwester hatte leider einen Schuft geheiratet, den sie verdächtigte, Drogengelder der Mafia anzulegen. Arturo Carmellos Geld, um genau zu sein.
In der Tasche von Petes Trenchcoat befand sich der Büroschlüssel, den Peggy ihm in dem Brief, in dem sie ihn um Hilfe bat, mitgeschickt hatte. Sie hatte ihren Mann nach seinen Geschäften mit Carmello gefragt, aber Jerald war nicht bereit gewesen, ihr darüber Auskunft zu geben. Und deshalb war nun Pete hier, Teilhaber der angesehenen Steuerberaterfirma Beckett und Stripley, und spielte Detektiv für seine Schwester.
Beim Durchblättern der Akten stellte er fest, dass Peggys schlimmste Befürchtungen gerechtfertigt waren. Jerald hatte von einem neuen Auftrag gesprochen und dabei sehr geheimnisvoll getan, und Peggy hatte ihn mit jemand namens Art telefonieren hören, der einer Firmengruppe vorstand, die sich das Aries Konsortium nannte. Sie hatte mitbekommen, wie Jerald zu seinem Gesprächspartner sagte: „Keine Angst, Art, das werden sie nie bis zu euch verfolgen können.“
Pete zog die Akte „Aries“ heraus und öffnete sie. Als er den Inhalt überflog, pfiff er leise durch die Zähne. Er hatte eine
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