Frühstück um sechs
dann vibrierte die Luft von der Melodie >Sally Goodin<, und los ging’s. Das war ein Promenieren, ein Wirbeln und Schwingen, und niemand war im geringsten schüchtern oder unsicher. Wer eine Ahnung hat, wie es sonst auf dem Lande in bunt zusammengewürfelter Gesellschaft zugeht, wird begreifen, daß dies ein wirklich wunderbarer Erfolg war.
Spät abends wurde ich müde und schlich für eine Weile beiseite. Von weitem zuzusehen machte ebensoviel Spaß. Tantchen zu beobachten, die leichtfüßig wie ein junges Mädchen, aber würdevoll, ihren Knicks vor dem Colonel exerzierte, wobei nur ein leichtes Schwanken ihres Klemmers die besondere Anstrengung merken ließ, die diese Eleganz sie kostete. Anne tanzte, fröhlich und liebreizend wie eine Fee, Hand in Hand abwechselnd mit Sam, Paul oder Tim, und Larry war in dem lächerlichen buntbedruckten Rock die hübscheste von allen. So brauchte sich niemand über die Verehrung, die Julian ihr deutlich zollte, zu wundern.
Eine innere Stimme sagte mir: »Diese Szene wirst du nie vergessen!« So etwas kam bestimmt nie wieder. Die ganze Atmosphäre hatte sich verändert, und es hieß, sich des Augenblicks freuen, bevor er verging. Das wunderbare Gefühl entsprang wohl zum Teil der stillen Schönheit der warmen mondhellen Nacht; es entstand wohl auch aus dem schönen Bewußtsein, daß dies mein erstes Weihnachten mit Paul war, daß wir für Anne und Tim ein romantisches Geheimnis wahrten und — ich selbst an einem besonderen Geheimnis trug, das ich bisher noch keinem anvertraut hatte. Ich war zufrieden, ein Weilchen neben der kleinen Elizabeth Jolson sitzen und sie beobachten zu können.
Das Kind schlief friedlich im Schatten eines großen Baumes auf einem Lager, das seine Mutter ihm bereitet hatte. Die winzigen Händchen lagen frei, die Finger krümmten oder lockerten sich bisweilen im Schlaf. Da kein Mensch in Hörweite war, konnte ich mich ungestört über die Kleine neigen und ihr zuflüstern, daß sie wirklich ein sehr kluges Kind sei. Denn ich fühlte jetzt endlich, vielleicht ein wenig verspätet, doch im höchsten Triumphgefühl, daß Miss Elizabeth Jolson die Wendung bewirkt hatte und daß ich im Frühjahr selbst ein Baby bekommen würde.
22
Das Schicksal schien Tim nicht wohlgesinnt. Ich wußte, wie gern er zu Colonel Gerard fahren und seine Sache durchkämpfen wollte, doch Jan und Nancy Ross komplizierten den Fall ungewollt; sie blieben nämlich länger als beabsichtigt, und zwar auf Drängen des Panjandrum, der vielleicht dachte, nachdem seine Pläne mit Julian zunichte geworden waren, könnte er auf Jan >zurückgreifen<.
Anne ließ Tim durch Miss Adams eine Mitteilung zukommen, in der sie ihn beunruhigt bat, Geduld zu bewahren. Er biß die Zähne zusammen und verrichtete weiter seine tägliche Arbeit. Zu tun gab es reichlich. Der Januar ist auf Schafzuchtfarmen ein arbeitsreicher Monat. Zuerst kommt die Schur, dann das Ausmustern der Herde, um festzustellen, welche Tiere verkauft und welche behalten werden sollen, und zuletzt kommt der Verkauf, der gewöhnlich darüber entscheidet, ob der Züchter im nächsten Jahr arm oder reich sein wird.
Diesmal war das schon durch den Verkauf der Wolle entschieden. Die Preise waren phantastisch hoch gewesen, und ich hatte jetzt keine Skrupel mehr wegen der Säcke voll Wolle, von deren Ertrag meine Schreibmaschine gekauft worden war. Die >Rehab< konnte diese geringe Menge wohl entbehren. Die Zinsen und den Amortisationsbetrag konnten wir aus dem Erlös der Wolle decken, und der Schafverkauf brachte später noch mehr. Wir rechneten uns aus, daß wir, wenn die guten Preise noch drei Jahre anhielten, das ganze Darlehen zurückzahlen konnten, so daß dann das wertvolle Farmland bis zum letzten Morgen unser Eigentum war. Ein grandioser Gedanke.
Er hielt mich während der sehr anstrengenden Woche der Schafschur aufrecht, die am 27. Dezember begann und bis über die Neujahrstage andauerte. Wir rechneten stark damit, daß unsere Maoris, die zum Scheren kamen, am ersten Tage der Pferderennen des neuen Jahres wieder einen Verwandten zu bestatten haben würden, doch sie erzählten ganz vergnügt, sie hätten bei dem Rennen zu Weihnachten so viel verloren, daß sie jetzt nicht einmal das Geld für die Eintrittskarten aufbringen könnten, sondern erst wieder welches verdienen müßten. »Also wir bleiben und scheren dem Boss die Schafe«, sagten sie bieder.
Diese sieben Tage ständiger Hetzerei bei großer Hitze machten mir
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