Frühstück um sechs
keineswegs Freude, aber schließlich hatten wir sie überstanden. Ich fühlte mich nicht gerade krank, aber reizbar und nervös, ganz anders als sonst. Da ich aber wußte, daß Kinderkriegen auch seine Schattenseiten hat, fand ich es zwecklos, viel Aufhebens davon zu machen. Außerdem wollte ich nicht gern, daß Paul erst viel fragte,
‘ bevor ich sicher wußte, ob ich gallenkrank war oder guter Hoffnung. Der Anblick der enormen Frühstücksportionen von gebratenem Fleisch, das die Scherer bekamen, hätte mich freilich beinahe schwach gemacht. Ich war froh, als die Woche hinter uns lag.
Gleich anschließend kam die Fahrt zur Stadt, in Sachen >Belinda<. Larry hatte sich ebenso wie ich mächtig darauf gefreut, wenn ich auch bei dem Gedanken an die Aufnahmen nervös wurde. Trotzdem war es himmlisch, sich auszumalen: Zwei Abende in der Stadt und zwei Tage zu essen, ohne selbst kochen zu müssen. Der Rundfunksender lag nicht in meiner Heimatstadt, sondern viel näher. Da die Entfernung nur hundert Meilen betrug, entschlossen wir uns, mit dem Auto zu fahren. Am Abend vor der Abfahrt gab Paul mir einen Scheck über 10 Pfund und hielt mir eine kleine Rede.
»Für deine Unkosten — kannst auch mehr haben, wenn du möchtest. Und das Geld, das du vom Rundfunk bekommst, geht mich nichts an, klar? Von dem sollst du auf dieser Reise nichts verbrauchen und auch nichts davon für den Haushalt nehmen.«
Ich mußte lachen. »Und was soll ich sonst damit machen? Ich werde es ja diesmal noch gar nicht bekommen; habe von meinem eigenen Geld etwas mitgenommen, um mir daraufhin einiges zu leisten. Ich bekomme nämlich, wenn meine Stimme gut ist, 15 Pfund ausgezahlt.«
»Mir egal, was du damit machst, es gehört ja dir. Verpulvere es, wie du Lust hast. Du hast weiß Gott mal ein Vergnügen verdient.«
»Aber Liebling, ich kann es doch nicht in drei Tagen verpulvern!«
»Larry wird dir dabei großartig helfen. Kauf dir doch was Schönes. Ein paar Hüte vielleicht. Ich glaube, an Hüten bist du knapp.«
Ich stellte mir Hüte im Wert von 15 Pfund auf dem Kopf einer Frau vor, die nie einen Hut trägt, wenn sie es vermeiden kann. Doch ich nahm Paul in die Arme und erklärte ihm, ich würde daran denken und sei sehr froh, einmal mit Geld um mich werfen zu können. Er sah zufrieden aus, und wir fuhren in großer Form ab.
Diesmal fiel mir der Abschied von Paul nicht schwer, da die Männer ja auf ihren Höfen täglich zusammen zu arbeiten hatten und sich gegenseitig trösten konnten. Wir wollten ja auch nicht lange fortbleiben. Jedenfalls nahm ich im Augenblick alle Veränderungen in Ruhe hin.
Nicht freilich die Art, wie Larry in der Stadt den Wagen steuerte. Ich war entsetzt darüber, da sie im Busch auf den gewundenen schlechten Wegen sehr gut zu fahren verstand. In der Stadt aber fuhr sie ohne Hemmungen und erschrak kein bißchen, als sie zwei, mal Kreuzungen bei >Rot< überquert hatte und dabei mehrere nützliche Bürger fast unter die Räder gekommen wären. Am meisten beängstigte mich an ihrer Fahrerei gerade diese vollkommene Selbstsicherheit.
Einen leichten Schrecken bekam allerdings auch sie, als sie einen Verkehrspolizisten beinah überfuhr. Und jetzt war sie so auf richtig bestürzt und so besorgt, ob der gute Mann keinen Nervenschock erlitten hätte, und machte sich so bittere Vorwürfe, daß er gleich sein Notizbuch lächelnd wieder einsteckte und sich schließlich sogar verpflichtet fühlte, sie zu trösten. Doch verlangte er zu meiner Erleichterung kategorisch ihre Ablösung am Steuer. Er sagte zu mir; »Lassen Sie die Dame gar nicht wieder probieren. Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck, aber in ihrem Kopf herrscht keine Ordnung. Ihr fehlt das richtige Fingerspitzengefühl, sie schätzt die Situationen im Verkehr falsch ein, möchte ich behaupten.«
»Da stimme ich Ihnen voll und ganz bei«, sagte ich und ergriff energisch das Steuer. Wir waren uns zweifellos sympathisch.
Schon vier Wochen vorher hatten wir uns Zimmer in einem guten, ruhigen Hotel reservieren lassen. Der Verkehrslärm machte uns einen Heidenspaß, wenn er uns auch eine Weile am Einschlafen hinderte, und der Gedanke, essen zu können, was wir nicht selbst zubereiten mußten, war einfach berauschend. Das stieg uns so zu Kopf, daß wir sogar beschlossen, im Bett zu frühstücken. Konnten uns, die Wollköniginnen für einige Stunden, ein paar Shillinge Aufschlag erschüttern?
Abends führten wir weder Telefongespräche mit unseren Freunden zu Hause,
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