Frühstück um sechs
wobei ich vermied, in Sams grinsendes Gesicht zu blicken.
In der zweiten Programmhälfte gab es nur zwei Konzertstücke, dann folgte unser Schauspiel >Und alle lebten glücklich und in Freuden<. Erst schmetterte Mr. Archer mit seinem jovialen Baß das Lied >Am Meeresstrand<, indes seine Frau, die im Türrahmen zum Speisezimmer stand, ihn stolz anstrahlte. Er sang nur dieses Lied, und als Zugabe ließ er >Englands Landwehr< folgen. Beides nahmen die Zuhörer so begeistert auf wie immer. Nach ihm rührte Mr. White, der Geschäftsführer der Mühle, die Kinder zu Tränen mit >Cowboys letzter Ritt< und gab ihnen den Rest mit >Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand<.
In dem Moment, da sein letzter, verhaltener Ton ausklang, traten wir mit Schwung in Aktion. Viel Szenerie hatten wir nicht aufzubauen: Die kleine Bühne brauchte nur auszusehen wie ein normales Wohnzimmer, was wir mit Sofa, Tisch und Stühlen, Möbeln von Miss Adams, bewerkstelligten. Der Kamin war ein Triumphstück: ein umgedrehter Hühnerstall, mit rotem Papier vollgestopft.
»Fertig! Kommen Sie, Larry, Sie machen den Anfang«, rief Julian. »Nicht vergessen, aus dem Fenster zu blicken. Aber doch nicht da, Mädchen, sondern aus dem mit Gardinen. Zerren Sie bloß nicht daran, sonst kommt die Bescherung ‘runter! Also: Sie lassen einen ungeheuren Seufzer los und sagen betrübt: >Ach, wie langweilig ist es hier! Koppeln, Schafe und Busch, Busch...<«
»Ich weiß, ich weiß, macht mich nicht konfus«, erwiderte Larry mit einem letzten verzweifelten Blick in ihr Rollenheft. »Seien Sie still und stellen Sie sich dicht hinter den Vorhang, damit Sie mir Stichworte geben können. Ich kann mich auf nichts mehr besinnen.«
»Dafür sei dem Himmel gedankt«, sagte Paul andächtig.
Doch das Stück begann trotz aller Aufregung gut. Von dem Augenblick an, als der Vorhang bedenklich schwankend hochging und man Larry sah, die sinnend >ins Freie< schaute und alles mögliche daherredete, was ich überhaupt nicht geschrieben hatte, war das Publikum entzückt. Als Paul in der Rolle von Larrys Ehemann John auftrat, ertönte aus dem Hintergrund der Zwischenruf: »Und was hält die Frau Gemahlin davon?« Doch als Anne auf der Bühne erschien, herrschte respektvolle Ruhe. Die Leute begnügten sich mit bescheidenem Gemurmel: »Möchte wissen, wie das ihrem Papa gefällt.« Alle bewährten Witze begrüßten sie mit Begeisterung und brüllten vor Entzücken, als Paul, der nicht überlegte, daß das Papier im Hühnerstall ein offenes Feuer darstellen sollte, sich ein Stück davon abriß, um seine Zigarette anzuzünden.
»Und jetzt hat sich der Gute das Händchen verbrannt?« rief gleich jemand aus dem Hintergrund.
Zu meinem freudigen Erstaunen zuckte Paul nicht mit der Wimper, sondern schüttelte nur hastig seine Hand und sagte zu Larry: »Laß dir das als Lektion dienen, daß man mit Feuer nicht spielen soll!« Und diesmal mußte sogar Larry sich anstrengen, schnell eine passende Antwort zu finden.
Annes Rolle war selbstverständlich die beliebteste. Ein Publikum von >Hinterwäldlern< war naturgemäß ganz auf seiten des Mädchens, das nach den einfachen Freuden des Landlebens seufzte. Es applaudierte kräftig, als sie erklärte, das wahre Leben könne der Mensch nur auf dem Lande führen. Damit hatte sie die Sympathie des ganzen Saales gewonnen, und die jüngeren und noch unternehmungsfreudigen Zuschauer brachten unverblümt die Hoffnung zum Ausdruck, sie möge mit dem leidenden Paul davongehen und seine unfreundliche und ungetreue Frau sitzenlassen. Die älteren Herrschaften aber wahrten die Moral, sie klatschten tüchtig, als Larry schließlich doch ins traute Heim zu ihrem Gatten zurückfand. »Wird auch höchste Zeit«, erklärte einer laut.
Alle hofften, Annes schlichte Tugenden würden ihren Lohn in der >Verbindung mit Tim< finden, doch diese Frage hatten wir im Stück offengelassen, denn da war schon alles eindeutig genug, ohne daß wir die Leute noch zu Paaren zusammenbringen mußten wie Noah die Tiere in seiner Arche. Daher überließen wir es der Phantasie des Publikums, sich ihr weiteres Schicksal vorzustellen, wobei durch gewisse Nebenbemerkungen angedeutet war, daß auch für sie ein Happy-End folgen würde. Außerdem waren Paul und ich unter vier Augen zu der Feststellung gekommen, daß der Colonel sowieso schon genug >zu ertragen< habe, ohne noch ansehen zu müssen, wie seine Tochter in die Arme so eines >Rehabilitationsfritzen< sank.
Hier aber griff das
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