Frühstück um sechs
sagen, daß sie äußerlich sehr verschieden sind — jedenfalls für mein Auge sind sie das nicht —, sondern daß es bei ihnen schlechte und nachlässige, kluge und vollkommen verrückte Mütter gibt. Die guten nehmen ihre Lämmer ganz prächtig in Schutz, schubsen sie in hohle Baumstümpfe und hinter liegende Stämme und riskieren sogar, in rührend unbeholfener Weise, einen Kampf mit den Hunden.
Ich machte keinen Versuch, die jungen Mutterschafe überall auszusondern, denn das war ein großes Stück Arbeit, dem Paul sich zweimal täglich intensiv widmen mußte. Die Tiere brachten ihre Lämmer überall zur Welt, mit Vorliebe an Abhängen; die gleichgültigen ließen sie da hinunterrollen oder liefen einfach fort, ohne sich um sie zu kümmern. Andere weigerten sich, ihre Jungen zu nähren. Wir sperrten meistens ein paar in die Pferche auf dem Hof, wo wir sie zwingen konnten, ihre Mutterpflichten zu erfüllen. Übrigens gehörte es auch zu meinen Pflichten, aufzupassen, daß die mageren Lämmchen täglich ihr Quantum Milch bekamen.
»Ja, das ist eine ganz verflixte Aufgabe«, bestätigte mir Larry am Telefon. »Es ist schon zwölf Uhr, eben bin ich erst in die Wohnung gekommen und habe noch keinen Handgriff von meiner Hausarbeit getan. Der Herd ist voll Asche, die Aschenbecher quellen über von Zigarettenstummeln, und ich wette, es kommt Besuch, ehe ich aufräumen kann. Jetzt muß ich erst mal drei Lämmer füttern, die ein Geschrei machen, daß das Haus wackelt, und muß dann zu so einem Biest gehen, das wir eingesperrt haben, weil es sich um seine Zwillinge nicht kümmern wollte. Weshalb haben wir bloß Farmer geheiratet, Susan?«
»Dir hätte es in der Stadt sicher gefallen. Möchte dich mal in einer Vorstadtvilla sehen, wenn du jeden Morgen mit einer Flasche Milch von der Molkerei kommst und dich am Staket gemütlich mit deiner Nachbarin unterhältst. Oder wenn du den Kinderwagen in die Stadt schiebst und mit Paketen beladen zurückkommst.«
»Nicht mit dem Kinderwagen, meine Liebe. Da sympathisiere ich mit den jungen Schafen, bin empört, daß man ihnen schon die Mutterschaft zumutet. Aber mal abgesehen von Babys und so, schön wäre es ja, ein hübsches, sauberes Haus und einen hübschen, gepflegten Mann zu haben und einen Wagen, der wirklich läuft, ohne so zu zittern, daß man denkt, er zerfällt gleich in Stücke. — Holla, da kommt einer angefahren, der richtige Typ! — Na, was habe ich gesagt! Oh, Gott sei Dank ist es nur Julian. Na, der kann wenigstens die Lämmer füttern.«
»Ist Anne mit im Wagen?«
»Was für eine häßliche Gesinnung du hast! Also, sie ist nicht mit. Oh, Susan, du mußt mir schnell, ehe er ‘reinkommt, noch etwas erklären. Hast doch eine gute Schulbildung gehabt, anders als ich.
Julian wird nämlich über Bücher und dergleichen reden wollen, das ist für mich so anstrengend, weil ich diese modernen Schriftsteller gar nicht verstehe. Er schwärmt ganz mächtig für gewisse Yeats. Was sind das für Dinger, weißt du’s?«
Ich erklärte ihr, daß Julian von dem Dichter Yeats spräche, das Wort also kein Plural sei. Worauf sie meinte, der Mann käme ihr in seinen Schriften so kleinmütig vor. »Aber ein Glück, daß ich wenigstens dich habe, um nach so was zu fragen. Ich habe das schon bei Sam probiert, doch der ist darin niederträchtig: Er sagte, für mich sei nur wichtig, zu wissen, daß es glänzende Sensationsromane von Alice Meynell gibt. Darüber kommt Julian einfach nicht hinweg. Sam hat sich königlich amüsiert, aber mir wäre es lieber, wenn die Leute mir nicht unbedingt Verstand zutrauen wollten, den ich doch gar nicht habe. Wiedersehen, Susan!«
Paul lachte tüchtig, als ich ihm ihre Frage: »Was sind Yeats?« wiedergab. Und ich war sehr froh, wieder zu merken, daß wir beide fast ausnahmslos dieselben Bücher und ganz ohne Ausnahme dieselben Witze gern hatten.
Einmal hatte ich ihm gesagt, es wäre doch furchtbar für ihn gewesen, wenn ich die Romane von Elinor Glyn besonders liebte, aber da meinte er, ich stände in dem Falle vor ihm noch groß da, denn er sei über Edgar Wallace nicht hinausgekommen. Nach lebhaftem Hin und Her meinten wir dann beide, unser Geschmack sei immerhin nicht der schlechteste.
Trotz allem Geknurr und unserer schweren Arbeit hatten wir doch an den Theaterproben viel Spaß. Wir begannen damit pünktlich um halb acht und aßen um 9 Uhr ein einfaches Abendbrot, worauf alle nach Hause fuhren, um schlafen zu gehen. Das Stück
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