Frühstück um sechs
draußen. Da die Batterie meiner Taschenlampe verbraucht war, fiel ich beinah über zwei Leute, die mit dem Rücken zu mir standen und so in ihr Gespräch vertieft waren, daß sie mich nicht kommen hörten.
Es war also doch nicht Tim gewesen, der so gereizt hupte, denn er stand hier und hielt Anne eng umschlungen. Ich hörte ihn in einem Ton höchster Seelenangst sagen: »Oh, Anne, Anne, warum mußt du nur noch so jung sein, so jung...«
Da machte ich kehrt und entfloh nach der entgegengesetzten Richtung, wobei es mich kaum kümmerte, daß ich über die eigenen Füße stolperte und mir eine Leiter in meine besten Nylonstrümpfe riß.
Nicht einmal Paul erzählte ich, was ich gehört hatte, aber Tims Stimme verfolgte mich. Was war da im Entstehen?
13
Die Antwort mußte wohl lauten: Nichts Besonderes.
Ich hatte geglaubt, nach dem hochdramatischen Abend müsse sich Gewaltiges ereignen, doch alles schien in vollkommener Flaute zu enden. Das war eine Enttäuschung, zugleich aber beruhigend. Wir waren froh, daß der Abend des lauten Geselligkeitsrummels hinter uns lag und ordneten uns zufrieden wieder ins Alltagsleben ein. Und selbst wenn wir gewollt hätten, wären wir nicht dazu gekommen, alles noch einmal durchzusprechen, denn Anne sahen wir in den nächsten zwei Wochen nicht und Larry sprach ich nur am Telefon.
Wir waren jetzt mitten in der Lammzeit, und da fand Tim wahrscheinlich keine Zeit zum Grübeln.
In den nächsten Wochen brachten wir fast jeden Tag draußen bei den Schafen zu. Viele Lämmer kamen in schneller Folge zur Welt, und für uns wurden die Strapazen noch größer durch einen der wilden Stürme aus Westen, die den Herden der Farmer im Hochland oft beträchtliche Verluste zufügen. Die Mutterschafe suchten tapfer ihre jungen hinter Baumstümpfen und Stämmen zu schützen, doch es starben trotzdem eine ganze Menge. Wir mußten uns so anstrengen, daß wir abends müde in die Sessel vor dem Kamm sanken und nur Rundfunk hören konnten oder einnickten.
Ich habe mich eigentlich im Leben selten erkältet, aber hier war ich wohl doch zu unvorsichtig gewesen, so daß es mich nun tüchtig packte. Drei Tage lag ich mit einem tollen Schnupfen im Bett, ekelte mich vor jedem Essen und rief nur krächzend nach heißem Zitronensaft. Als ich aufstand, hatte ich sehr schlechte Laune, weil es mir peinlich war, Paul in einer Zeit des Hochdrucks nicht geholfen zu haben. Doch ich sollte schnell Gelegenheit finden, das wieder auszugleichen, denn jetzt bekam Paul einen, wie er sagte, ganz >urigen Schnupfen<, viel schlimmer als meiner gewesen war. Er lehnte natürlich spöttisch ab, sich pflegen zu lassen, und ritt weiter bei dem bösen Sturm, der auch schwere Regenschauer brachte, durch unwegsames Gelände zu seinen Schafen, mit dem fast selbstverständlichen Ergebnis, daß er Fieber bekam und auf eine Lungenentzündung los steuerte. »Na, jetzt wirst du also doch im Bett bleiben müssen«, sagte ich.
Er richtete sich auf und musterte mich erhaben. »Im Bett bleiben? Unfug. Kommt gar nicht in Frage!«
»Und weshalb nicht?«
In seiner strengen Haltung glich er Lord Kitchener, als er antwortete: »Es gibt gewisse Verrichtungen, die ich niemals eine Frau für mich tun lassen werde!«
»Sei nicht blöde, ja? Aber vielleicht siehst du jetzt ein, daß der Weg zum Häuschen nicht so weit sein dürfte? Gesagt habe ich ja schon immer, wenn mal einer von uns krank würde...«
Er krächzte: »Hatte dir doch erklärt, daß ich keinen Zement kriegen konnte.« Sprach’s und drehte sich zur Wand.
Ich fühlte mich dem Kommenden nicht gewachsen und suchte telefonische Hilfe.
Larry lachte gewaltig über Pauls Prüderie, hatte aber gleich praktische Vorschläge: »Hier ist ein Mann vonnöten, und zwar Tim, nicht Sam, denn das würde Paul ärgern, weil er denkt, ich erführe dann alles. Ich rufe Tim heute abend an, und zu Paul kannst du sagen, daß ich mich mit Sam heute nachmittag um seine Schale kümmern werde. Es wäre also vollkommen überflüssig, daß er sich aufrafft und doch nichts Rechtes ausrichten kann, klar?«
Abends erschien Tim mit einem Handkoffer und redete sachlich wie ein Arzt so lange auf Paul ein, bis der nachgab und sich in das Unvermeidliche fügte. Larry arrangierte alle Einzelheiten, und ich verließ fünf Tage lang nicht das Haus. Sam und Larry versorgten unsere Schafe — wie sie die Zeit dafür aufbrachten, ist mir ein Rätsel —, und jeden Abend gegen sechs kam Tim und schickte mich zu
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