Frühstück um sechs
widerspenstig ist. Ich fand Anne blaß und ein bißchen elend, doch sie gab sich ganz vergnügt.
»Prima, daß wir uns bei der Hochzeit wiedersehen! Vater hat mir versprochen, es so einzurichten.« Und mit wohleinstudierter Gleichgültigkeit: »Wußten Sie überhaupt, daß wir eine Reise machen? Ja, nach South Canterbury. Da bin ich früher zur Schule gegangen; ich will ein paar alte Freundinnen besuchen. Und Vater hat dort viele Bekannte. Wir sind schon oft eingeladen worden.«
»Das ist ja eine feine Abwechslung für Sie.«
»Ach, ich weiß nicht. Papa legt jedenfalls großen Wert darauf, daß ich mitfahre. Er denkt, hier langweile ich mich zu sehr. Und Julian kennt Neuseeland bis jetzt kaum. Unterwegs werden wir uns vieles ansehen. Ich glaube, es wird schön werden.«
Ihre Stimme klang nun doch betrübt, deshalb sagte ich: »Wir werden Sie hier vermissen.«
Ich erzählte ihr von Pauls Krankheit und wie Tim sich bei uns eingesetzt hatte. Sie hörte mit leuchtenden Augen zu, doch als ich fertig war, sagte sie nur: »Ach ja, Sie sind hier alle so vertraut miteinander. Wie wunderbar für Sie!« Und ganz rasch setzte sie hinzu: »Susan, was soll ich auf der Hochzeit tragen?«
Die restliche Zeit ihres Besuches widmeten wir ausschließlich der Kleiderfrage.
14
Ich hatte beabsichtigt, drei Tage vor der Hochzeit zu Hause anzukommen, doch Mutter veranlaßte mich durch ein geradezu dramatisches Telegramm, schon zwei Tage früher zu fahren.
»Bin verzweifelt, alles katastrophal, kannst du sofort kommen?« lautete der Text.
Das regte mich nicht auf. Ich dachte mir, daß Mutter sich vielleicht mit dem Organisten bei der Auswahl der Choräle entzweit oder daß Felicity sich mehr Exzentrisches geleistet hätte, als man selbst einer Braut zugestehen würde. Immerhin hielt ich es für besser, gleich zu fahren. Ich packte in bedrückter Stimmung, da ich Paul sehr ungern allein ließ und gegen die lange, einsame Fahrt einen Widerwillen hatte.
Paul sagte: »Hoffe, es wird dir nicht zu langweilig, mein Kind, die ganze Zeit am Steuer zu sitzen.«
Es ergab sich, daß ich mich keinen Moment zu langweilen brauchte.
»Könntest eigentlich die alte Karre gleich zum Überholen in der Werkstatt lassen. Weißt ja: >Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!<«
Das Sprichwort bewährte sich jedoch nicht. Ungefähr zehn Meilen vor der Stadt hörte ich plötzlich ein entsetzliches Geklirr und einen Bums, der mich mächtig erschreckte. Es geschah an einer einsamen Stelle, und ich bremste mit dem unbehaglichen Gefühl, daß mir nicht mehr viel Zeit zum Erreichen des Zuges blieb und ich sowieso, was auch am Wagen kaputt sein mochte, den Schaden nicht selbst reparieren konnte. Der Schalldämpfer lag mit dem daran hängenden Auspuffrohr auf der Straße. Paul hatte mir noch gesagt: »Laß den Schalldämpfer mal nachsehen, er kommt mir reichlich laut vor. Vielleicht ist da was zu schweißen.« Und ob!
Also machte ich mich auf die Socken, die zwei Meilen schlechter, harter Straße in guten Schuhen zu laufen, bis ich ein Haus mit Telefon fand. Die Leute in der Werkstatt nahmen die Sache recht leicht. »Nein, da brauchen Sie keinen Abschleppwagen, Sie können mit eigener Kraft weiterfahren. Sicher macht der Wagen jetzt einen Heidenlärm, doch das braucht Sie nicht zu beirren.«
Ich fragte, ob der Wagen nicht in Brand geraten könnte?
»Kommt darauf an, wo das Rohr abgebrochen ist. Wenn es nicht zu weit vorn ist, wird es schon gutgehen. Schrauben Sie das restliche Stück Rohr auch los und kommen Sie gleich her. Wir werden schon herausfinden, ob Brandgefahr besteht.«
Furchtbar gemütliche Situation, besonders da ich nicht wußte, was >weit vorn< in diesem Fall hieß. Der Farmer, bei dem ich telefoniert hatte, war so freundlich, mich in seinem Wagen bis zur Stätte meines Malheurs zurückzubringen. Er schraubte auch das Rohrstück ab und erklärte, er werde mir die zwei Meilen bis zu seinem Hause folgen und aufpassen. Wenn bis dahin der Wagen nicht in Brand geriet, könnte ich nachher unbesorgt sein.
Das Herz schlug mir bis zum Halse, als ich auf den Anlasser trat. Es gab einen Lärm wie von einem Dutzend verrückt gewordener Häckselmaschinen, aber von Feuer keine Spur. Der Farmer hinter mir brüllte ermutigende Worte. Ich legte meinen Handkoffer, der mein Hochzeitskleid enthielt, auf den Sitz neben mir und die Reisetasche auf die Knie, um notfalls beides rasch hinauswerfen zu können, drehte den
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