Frühstück um sechs
ergänzte sie mit einem Schlußlaut, den ich bei jedem anderen als Rülpser bezeichnet hätte.
Und als wir morgens aufwachten, lachte uns der blaue Himmel eines strahlenden Frühlingstages an. Ich muß freilich zugeben, daß inzwischen, trotz Mutters gläubiger Worte, kein Wunder geschehen war. Das Zelt lag noch genauso zerstört auf dem Rasen. Immerhin war unser Gelegenheitsgärtner schon früh gekommen und bereits mit dem Wegräumen der sonstigen Sturmtrümmer beschäftigt. Ich rief die Zeltfabrik an. Bis Mittag war das beschädigte Zelt entfernt, und ein neues leuchtete blendend weiß im Sonnenschein.
Mutter sagte: »Wirklich, liebes Kind, ich wüßte nicht, wie ich ohne dich zurechtgekommen wäre. Übrigens war es eine gute Idee von dir, nur gestern abend zum Aspirin einen Löffel Whisky zu geben. Um nichts in der Welt würde ich mich an Rauschmittel und solche Sachen gewöhnen, muß aber sagen, daß ich mich heute morgen den Strapazen gewachsen fühle. Jedenfalls ist das Schlimmste überstanden.«
Das freilich sollte keine Brautmutter behaupten, bevor der Wagen zur Fahrt in die Flitterwochen außer Sicht ist.
Gerade als sie das sagte, klingelte nämlich das Telefon. Es war Mrs. Shaw, die Mutter von Deirdre, der zweiten Brautjungfer. »Oh. Susan, ein Glück, daß du am Apparat bist, dann kannst du es deiner Mutter und Felicity schonend beibringen! Ach, ich weiß gar nicht, wie ich’s dir sagen soll...«
Obwohl mir kalter Schweiß auf die Stirn trat, bat ich sie höflich um nähere Erklärung.
»Ach, es handelt sich um Deirdre. Sie fühlte sich schon gestern nicht wohl, doch ich hoffte, es sei nur eine Erkältung. Nachts wurde es dann schlimmer, na, und heute früh gab es keinen Zweifel mehr. Jedenfalls war eben der Arzt hier, und es ist — sie hat die Masern!«
Mir verschlug es die Sprache. Vier Brautjungfern waren vorgesehen, außer Dawn und Deirdre noch zwei junge Mädchen, die ich kaum kannte. Ich ließ den Hörer fallen und ging zu Mutter. Sie versank bei dieser Hiobsbotschaft in langes, beängstigendes Schweigen. Hier reichten nicht einmal Tränen aus. Schließlich sprach Felicity.
»Das ist eine große Gemeinheit von Deirdre! Ich wußte ja, daß sie wegen Robert eifersüchtig auf mich ist!«
»Ich kann mir nicht denken, daß jemand vor Eifersucht die Masern kriegt«, wandte ich ein.
»Streite nicht, Susan. Aber wir können’s nicht ändern. Du mußt sie vertreten!«
»Ja, Kind, natürlich muß Susan das tun. Na, sie hat wenigstens dieselbe Größe wie Deirdre. Ich will Mrs. Shaw gleich anrufen, daß sie das Kleid sofort mit einem Taxi herschickt.«
Ich war wieder sprachlos. »Nein, ich kann das wirklich nicht! Es geht nicht bloß um das Kleid, sondern auch um Schuhe, Handschuhe, Strümpfe und so weiter.«
Felicity war erbarmungslos. »Die Handschuhe kann sie auch schicken, die hat sie sowieso von mir geschenkt bekommen. Und Schuhe und Strümpfe kannst du ja noch kaufen.«
Ich war entgeistert, denn hier sollte ich viel Geld für Sachen ausgeben, die ich wahrscheinlich später nie wieder brauchte. Doch ich fand unerwartet einen Verbündeten. Vater mußte wohl unser Telefonieren und das aufgeregte Reden gehört haben, denn er kam jetzt scheinbar zufällig in den Flur. Wie meistens in kritischen Augenblicken wurde er nun sehr energisch, während er die beim Kreuzworträtsel aufgeschlagene Zeitung hinter dem Tisch zu verstecken suchte.
»Wenn Susan sich da opfern soll, werde ich ihr schon kaufen, was sie braucht. Sie ist extra hergekommen und hat Paul krank allein gelassen, um sich hier wie eine Sklavin für euch alle zu placken. Ich wüßte nicht, daß einer von euch das für ihre Hochzeit getan hätte. Jedenfalls hat sie genug geleistet.«
Vater greift so selten in häusliche Angelegenheiten ein, daß jetzt alle gleich zusprangen. Nur ich hörte ihn murmeln, als er sich abwandte: »Sieben Buchstaben, der vierte ein E. Ach, >strenge< natürlich!«
Ich schaute auf die Uhr. Zwölf. Drei Stunden blieben für den Kauf der Schuhe und Strümpfe und für die Anprobe des Kleides, doch Vater organisierte das richtig: Er schickte Dawn zum Abholen des Kleides zu Shaws und fuhr mich in rücksichtslosem Tempo in die Stadt, wo er alles kaufte, was ich haben mußte. Als wir zurückkamen, war das Kleid schon da. Ein traumschönes Stück! Ich probierte es an, wobei ich einige Zeit vor dem Spiegel verweilte, denn ich fand mich so hübsch und wünschte, Paul könnte mich sehen. Na, es wurden ja sicher Fotos
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