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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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vor Jahren ihr erstes Kind weggenommen worden war, hatte sie die beiden Kinder, die ihr geblieben waren, in Angst und Schrecken vor Polizisten und Sozialarbeitern großgezogen. Im Vergleich zu diesen Leuten waren blaue Flecken eine Lappalie.
    Wolfie kletterte auf die vordere Stoßstange des Busses und schaute durch die Windschutzscheibe ins Innere. Wenn Fox schlief, würde er um keinen Preis hineingehen. Der war der reinste Teufel, wenn man ihn aus dem Schlaf riss. Einmal, als Wolfie ihn aus Versehen an der Schulter berührt hatte, hatte er ihm mit dem Rasiermesser, das immer unter seinem Kopfkissen lag, die Hand aufgeschlitzt. Die meiste Zeit hockten Wolfie und Welpie, sein kleiner Bruder, unter dem Bus, während ihr Vater schlief und ihre Mutter weinte. Nicht einmal wenn es draußen kalt und regnerisch war, wagten sie sich hinein, solange Fox drinnen war.
    Wolfie fand, der Name Fox passte zu seinem Vater. Er war wie der Fuchs ein nächtlicher Jäger, der im Schutz der Dunkelheit unsichtbar durch die Schatten geisterte. Manchmal schickte seine Mutter ihn Fox hinterher, um herauszufinden, was er machte, aber Wolfie hatte zu viel Angst vor dem Rasiermesser, um seinem Vater lange auf den Fersen zu bleiben. Er hatte gesehen, wie Fox es bei Tieren zum Einsatz gebracht hatte; er hatte das Todesrasseln eines Rehs gehört, als er ihm in aller Gemächlichkeit die Kehle durchgeschnitten hatte, und das röchelnde Quietschen eines Kaninchens. Fox tötete niemals schnell. Wolfie wusste nicht, warum das so war – aber das Gefühl sagte ihm, dass Fox die Todesfurcht anderer genoss.
    Sein Gefühl trog ihn hinsichtlich seines Vaters nicht, aber er behielt seine Gedanken genauso für sich wie die sonderbaren, verschwommenen Erinnerungen an andere Männer und an Zeiten, als Fox nicht da gewesen war. Keine war konkret genug, um ihn zu überzeugen, dass sie die Wahrheit wiedergab. Die Wahrheit für Wolfie waren die entsetzliche Angst vor Fox und der ewig nagende Hunger, der nur im Schlaf nachließ. Er hatte gelernt, den Mund zu halten. Wenn man gegen Fox' Regeln verstieß, bekam man das Rasiermesser zu spüren, und das oberste Gebot lautete: Sprich mit keinem Menschen über die Familie.
    Sein Vater lag nicht im Bett. Wolfie nahm seinen ganzen Mut zusammen und kletterte durch die offene Vordertüre in den Wagen. Er hatte mit der Zeit gelernt, dass es das Klügste war, diesem Mann gegenüberzutreten, als wäre man ihm ebenbürtig –»zeig nur niemals, wie sehr du dich fürchtest«, sagte seine Mutter immer. Darum marschierte er jetzt mit wiegendem Cowboyschritt wie einst John Wayne durch die Mitte des Busses, wo früher der Gang zwischen den Sitzen gewesen war. Er konnte Wasser plätschern hören und erriet, dass sein Vater sich hinter dem Vorhang befand, der den kleinen Waschraum abtrennte.
    »Hey, Fox, wie geht's denn so, Mann?«, fragte er und blieb vor dem Vorhang stehen.
    Das Plätschern hörte sofort auf. »Wozu willst du das wissen?«
    »Nur so, is eigentlich wurscht.«
    Der Vorhang wurde scheppernd aufgerissen. Dahinter stand sein Vater, bis zur Taille nackt. Von seinen behaarten Armen tropfte das Wasser nach der Wäsche in der alten Blechschüssel, die als Badewanne und Waschbecken diente. »Egal, heißt das!«, schnauzte er den Jungen an. »Es
ist egal
. Wie oft soll ich dir das noch sagen?«
    Wolfie zuckte zusammen, doch er wich nicht zurück. Der Hauptgrund dafür, dass er das Leben so verwirrend fand, war der unbegreifliche Unterschied zwischen dem Verhalten seines Vaters und seiner Sprechweise. Für Wolfie hörte Fox sich an wie ein Schauspieler, der Sachen wusste, die sonst keiner draufhatte. Eine Wut wie bei ihm hatte Wolfie aber selbst im Film noch nie erlebt. Außer vielleicht bei Commodus in
Gladiator
oder dem fiesen Priester in
Indiana Jones und der Tempel des Verhängnisses
, der den Leuten immer das Herz rausriss. In Wolfies Träumen war Fox stets entweder der eine oder der andere.
    »Eigentlich ist es egal«, wiederholte er gehorsam.
    Sein Vater griff nach dem Rasiermesser. »Warum fragst du, wie es mir geht, wenn die Antwort dich gar nicht interessiert?«
    »Na ja, das sagen die doch immer, wenn sie sich treffen. Im Film, mein ich. Hey, Kumpel, wie geht's, wie läuft's denn so?« Er hob die Hand, so dass sie im Spiegel neben Fox' Schulter zu sehen war, und spreizte die Finger. »Und dann klatschen sie sich ab.«
    »Du siehst zu viele Filme. Du fängst ja schon an, wie ein Ami daherzureden. Ich möchte wissen, wo

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