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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
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Club dichtmachte. Als wir auf die Straße traten, war es schon früher Morgen.
    Die Fahrt bis zu meiner Wohnung schien mir unglaublich lang. Ich beobachtete die Spitzen der Kirchtürme, die in roten Wolken verschwanden, ich sah nette Familienväter, die um diese Zeit schon unterwegs waren, um frische Schrippen für das Sonntagsfrühstück zu kaufen. Mein Weggefährte schwieg die ganze Zeit. Seine Augen sahen jetzt anders aus, melancholisch und fast kalt. Er schaute mich fest an, als wäre ich der einzige Mensch auf der Welt, dem er vertrauen könnte. Er schien mir anders als meine früheren Liebhaber.
    Die meisten Männer versuchen, dir so schnell wie möglich ihren Lebenslauf zu erzählen, und übertreiben meistens dabei. Der Junge an meiner Seite hingegen offenbarte mir nicht einmal seinen Namen. Ich wusste ihn selbst dann noch nicht, als wir uns in meiner Wohnung liebten und ich das erste Mal, seit ich in Berlin war, spürte, wie mich ein Gefühl des Glücks durchströmte.
    Ich wachte von den Sonnenstrahlen auf, die durch meine staubigen, blauen Gardinen direkt auf mein Gesicht zielten. Noch im Aufwachen spürte ich eine Nervosität in mir. Wird er aufstehen und weggehen, ohne ein Wort zu sagen? Oder wird er versuchen, blöde Ausreden zu finden? Ich hoffte, er würde sich schnell anziehen und aus meinem Leben verschwinden, ohne sich zu rechtfertigen. Ich hatte das Gelaber am Tag danach immer gehasst – als wäre mir am Abend zuvor nicht klar gewesen, dass es nur um Sex ging.
    Er stand in der Küche, mit nackten Füßen auf gelben Fliesen, und versuchte Kaffee zu kochen. Seine Haare waren noch durcheinander von der vergangenen Nacht.
    »Ich habe gedacht, du könntest mit mir zum Rummel kommen«, sagte er, während er eine Pfanne mit Butter einschmierte. »Ich bin mit einem Freund verabredet.«
    Für einen Moment glaubte ich, mich verhört zu haben. Dann war es still, bis auf das Zischen der Butter und die Kaffeemaschine, die Dampf spuckte wie eine alte Lok.
    »Fährst du nicht nach Hause?«, fragte ich.
    »Sollte ich? Viel Lust dazu hab ich nicht. Ich würde lieber mit dir irgendwo hingehen.«
    »Wie heißt du eigentlich?«, fragte ich.
    Er schaute mich an, erschöpft und froh zugleich.
    »Ich heiße Ladislav«, antwortete er. »Für dich Ladja.«
    Wir spazierten durch das Laub im Vergnügungspark Plänterwald, Hand in Hand. Immer wieder schaute mich Ladja zärtlich von der Seite an. Die Luft roch süß und warm, ein herrlicher Herbsttag. Das Volk wollte offenbar die letzten warmen Sonnenstrahlen genießen, der Park wimmelte von Menschen, überall sah man Familien mit ungeduldig hüpfenden Kindern, die vor den Wurstbuden oder vor dem Riesenrad Schlange standen oder darauf warteten, ein Foto mit den Clowns zu machen.
    Am Eingang zum Park hatten wir einen Mann getroffen, mit dem Ladja dort verabredet war. Ich schätzte ihn auf Mitte dreißig und er hatte eindeutig Stil. Er trug eine schmale Sonnenbrille, ein weißes Polohemd und weiße Turnschuhe. Ladja, noch müde von der vergangenen Nacht, wirkte neben ihm wie ein Landei. Ich fragte mich, was ein solcher Mann mit so einem armen Jungen gemein hatte.
    Ladjas Bekannter spendierte uns den Eintritt für den Park. »Das macht er immer, wenn wir zusammen unterwegs sind«, flüsterte mir Ladja ins Ohr.
    Ich dachte, das müsse eine nette Berliner Sitte sein. Wer Geld hat, zahlt für die Freunde. Das nächste Mal, stellte ich mir vor, werden Ladja und ich ihm ein Bierchen ausgeben. Eigentlich prima.
    »Ich habe meine Sachen mitgebracht«, sagte Ladja, als er tags darauf wieder bei mir vorbeikam, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, dass er nun bei mir leben würde. In seinem Rucksack waren ein Paar Socken, ein T-Shirt von der Loveparade  2001 , ein Walkman ohne Batterien und ein Schraubenzieher.
    »Ich habe noch mehr«, sagte er, fast so, als ob er sich entschuldigen wollte. Ich selbst hatte auch nicht viel aus Italien mitgenommen, dennoch sahen in dem Moment meinetausend Klamotten, die auf dem Boden verstreut lagen, im Vergleich zu seinen Habseligkeiten nach Überfluss aus. Man kauft, sammelt für die Ewigkeit, und irgendwann stirbt man und die Sachen enden entweder bei der Caritas oder auf dem Dachboden von irgendeinem Enkelkind – also am besten leicht reisen, hatte ich mir immer gedacht. Trotzdem hätte ich mich nie von meinen alten Büchern getrennt, darunter Schriften von Karl Marx, Die Leiden des jungen Werthers , Der kleine Prinz , Die Möwe

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