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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
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die Spree zu schmeißen – jedenfalls dachten wir das. So fuhren wir einfach nach Hause. Ladja weinte vor Wut, auch Tomas heulte, weil er das Geld seiner Freundin versprochen hatte, um die Stromrechnung zu bezahlen.
    Als ich gerade noch zwei Euro in der Tasche hatte, rief ich meinen Vater an. Ich erklärte ihm, dass es sich um einen Notfall handele, und er schickte mir hundert Euro, die natürlich nicht lange vorhielten. Ich traute mich jedoch nicht, ihn ein zweites Mal anzurufen. Ich wusste, dass es unserem kleinen Familienhotel nicht gut ging. Meine Mutter konnte ich auch nicht um Unterstützung bitten. Mit ihrem miesen Gehalt als Bibliothekarin bezahlte sie die Schulden der Familie ab.
    Ich wollte meinen Eltern keine Last sein. Immerhin war es meine eigene Entscheidung gewesen, zum Studieren nach Deutschland zu ziehen. Einen Anspruch auf BAföG hatte ich als Ausländerin auch nicht und so blieb mir nichts anderes übrig, als alleine klarzukommen.
    Vorerst saßen Ladja und ich weiter in unserer Einzimmerwohnung, ohne Geld, aßen Nudeln mit Tomatensoße aus dem Glas, die es für sechzig Cent beim Discounter gab, drehten Zigaretten aus Billigtabak und träumten davon, in den Tierpark oder ins Schwimmbad zu fahren.
    Ich war bereits ein Jahr in Berlin, als ich auf RTL 2 einen Bericht über Web-Cam-Girls sah, Internet-Stripperinnen, die fröhlich aus ihrem Berufsalltag plauderten. Eine erzähltegerade, wie viel Geld man allein damit verdienen konnte, dass man sich vor einer Videokamera auszog. Das Ganze klang eigentlich relativ harmlos.
    »Was würdest du denken, wenn ich so etwas tun würde?«, fragte ich Ladja. Ich dachte in dem Moment nur an das schnelle Geld.
    Er hob die Schultern.
    »So schlimm ist das nicht«, fuhr ich fort. »Man wird von niemandem angefasst und es ist total anonym.«
    Weil Ladja sich nicht wirklich dazu äußerte, fühlte ich mich frei, am nächsten Tag eine Zeitung zu kaufen und einfach mal nach einschlägigen Anzeigen zu schauen. Ich wurde sofort fündig. Eine Firma warb mit einer »leicht erotischen Internettätigkeit«. Ich atmete tief durch und wählte die angegebene Nummer. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine freundliche Männerstimme. Meine Stimme zitterte am Anfang ein wenig vor Aufregung, doch mein Gesprächspartner verschaffte mir den Eindruck, dass es sich um einen ganz normalen Job handelte. Er sagte auch, dass es kein Problem sei, wenn ich so etwas zum ersten Mal mache. Am Ende vereinbarten wir einen Termin gleich für den nächsten Tag, an dem er mir alles genauer erklären wollte.
    Das Haus war am Arsch der Welt. Ich brauchte eine Stunde mit dem Bus, um das kleine Dorf jenseits der Stadtgrenze zu erreichen. Ich stieg aus und stolperte durch die Straßen einer gepflegten Gemeinde mit Reihenhäusern, deren Bewohner sich hinter weißen Gardinen verbargen. Ich dachte zuerst, ich sei falsch ausgestiegen, doch dann fand ich tatsächlich die Adresse.
    Ein großer, blonder Mann öffnete die Tür. Er stellte sich als Thorsten vor und bot mir Limonade an, da die Hitze unerträglich war. Wir setzten uns auf eine weiße Ledercouchin einem Wohnzimmer mit schwarzen Möbeln und pastellgrün gestrichenen Wänden.
    Ein zweiter Mann setzte sich neben uns. Er hieß Andreas und war der Geschäftspartner von Thorsten. Gleich eingangs erklärte er ungefragt die in dieser Gegend erstaunliche Tatsache, dass er dunkelhäutig war: Er sei in Peru geboren, als Kind aber von einem deutschen Paar adoptiert worden und in Ost-Berlin aufgewachsen. Der Job sei an sich simpel, erklärte er. Es ginge nur darum, mit Männern zu chatten und sich dabei nackt zu zeigen. Manche Frauen benutzten auch einen Dildo und »verwöhnten« sich so vor der Kamera, dies sei aber keine Pflicht. Es gebe »freie Schichtwahl« – morgens, nachmittags oder nachts – und der Stundenlohn betrage zehn Euro, auszahlbar am 10 . des Folgemonats. Das waren Konditionen, die mir fair erschienen, und so stimmte ich zu.
    Danach plauderte er noch eine Stunde lang über sein Lieblingsthema, nämlich den Aufbau seines kleinen Pornoimperiums in der brandenburgischen Provinz, während sein Geschäftspartner regelmäßig nickte und eine Kippe nach der anderen rauchte.
    Am Ende stellte Andreas mir noch ein paar Fragen. Dass ich mein Studium der Mathematik im Oktober beginnen wollte, fand er ganz toll. Er selbst habe Jura studiert, erzählte er, aber nach zwei Jahren abgebrochen, weil er zu faul gewesen sei, zu den Vorlesungen zu gehen.

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