Fucking Berlin
lässt nicht mehr so viel Geld springen wie früher, als sie noch gepoppt haben. Er kriegt halt einen normalen Lohn. Na ja, sein Problem«, sagte er und streckte die Beine weit von sich.
In den nächsten Tagen tat ich so, als sei nichts gewesen, und führte mein Leben weiter wie immer. Vormittags Vorlesungen, lange Nachmittage in der »Oase«, abends mit Ladja und Tomas rumhängen, auf Jules Balkon sitzen und dabei Musik hören.
Nach der fast verpatzten Klausur fing ich an, noch regelmäßiger und intensiver zu lernen, denn so ein Fiasko wollte ich nicht wieder erleben. Wenn ich aber abends am Schreibtisch saß, fiel es mir schwer, mich zu konzentrieren, denn ich dachte die ganze Zeit an Milan und hoffte, dass er wieder im »California« auftauchen würde. Allerdings wusste ich von Tomas, dass er nicht so oft im Kiez verkehrte und nach der Arbeit meistens gleich nach Hause fuhr.
Ich hätte gerne mit jemandem darüber geredet, doch ich wusste nicht, mit wem. Meine Freunde, sogar Jule, waren auch die meines Mannes, und ich hatte zu viel Angst, dass sie ihm etwas erzählen würden.
Eines Tages saß ich im Aufenthaltszimmer der »Oase«, als mein Handy klingelte. Es war gerade nichts los, die Mädels stritten herum, lösten Kreuzworträtsel und bestellten pausenlos Essen per Telefon.
»Hallo, hier ist Milan. Ich weiß, du hast meinen Anruf nicht erwartet, aber …« Er hörte auf zu reden.
»Warte kurz«, flüsterte ich und simulierte einen Hustenanfall, damit er keine Puffgeräusche hörte. Ich rannte in den Flur. Ich wollte nicht, dass eine der Frauen irgendwas mitkriegte, auch wenn wir sonst keine Geheimnisse hatten und Männer unser Lieblingsthema waren.
»Ich muss dich sehen«, brachte er schließlich heraus. »Neben dem ›California‹ ist ein kleines Café. Ich bin um acht da. Kommst du?« Ich merkte, dass das eine Bitte war.
»Kommst du denn?«, fragte ich zurück.
»Ich halte es nicht mehr aus ohne dich und du fragst mich, ob ich komme?«
Ich konnte mir sein Lächeln vorstellen, diese Grübchen im Gesicht und seine leuchtenden Augen. Und die unpassenden zartrosa Hände, die ich schon auf meiner Haut spüren konnte. Ich wusste, dass er vergeben war, und wollte ihn trotzdem so sehr, dass ich Kopfschmerzen bekam.
Ich war eine Stunde zu früh am vereinbarten Treffpunkt, also lief ich die Straße rauf und runter, schaute die Vitrinen an und versuchte, mich für eine Hose oder ein T-Shirt zu begeistern. Aber ich konnte nur an Milan denken. Was, wenn er sich als Enttäuschung entpuppte?
Ladja hatte ich erzählt, dass ich mit Jule und anderen Frauen aus der Uni ausgehen würde, und ich hoffte, dass er sich nicht bei mir melden würde.
Endlich war es acht. Eilig lief ich zurück zum Café. Milan stand da, die Hände in den Hosentaschen, und schaute in den Himmel.
Ich hatte vor, zu sagen: Milan, ich bin eine verheiratete Frau und auch sonst trage ich ziemlich schweres Gepäck mit mir herum. Ich habe mit so vielen Männern gevögelt, dass ich sie nicht mehr zählen kann, und es ist mir auch scheißegal, wie viele es waren. In der Uni mache ich einen auf brave Studentin, aber nach Vorlesungsschluss gehe ichanschaffen. Und ich bin auch nicht Julia Roberts und du bist nicht Richard Gere, der mich aus meinem Leben befreien wird. Was willst du also von mir?
Aber in Wirklichkeit sagte ich gar nichts.
Milan streichelte etwas unbeholfen meine Wange. »Schön, dass du gekommen bist«, meinte er nur.
»Dachtest du etwa, ich verpasse dir einen Korb?«, entgegnete ich und kaute nervös an meinen Fingernägeln.
Er suchte eine Kneipe aus, weil er sich in der Gegend besser auskannte als ich. Sie war gemütlich: Holzwände, kleine Metalltische und Spiegel mit strahlenden Pin-up-Girls aus den fünfziger Jahren. Dazu der angenehme Duft eines Zigarillos mit Vanillegeschmack, den eine Frau am Nebentisch rauchte. Als ich Zigaretten aus meiner Tasche kramen wollte, fiel ein Buch raus, mit dem ich mir in der »Oase« gerade die Zeit vertrieb: Haruki Murakami, Die gefährliche Geliebte . Ich fand, dass der Titel zur Situation passte, und auch Milan lächelte.
»Bist du gefährlich?«, fragte er mich.
»Nein, im Gegenteil. Ich bin eher eine … verträumte Leseratte.«
So fing unser Gespräch über Bücher an. Er stand mehr auf Krimis mit politischem Hintergrund, ich auf lustige Romane wie Herr Lehmann oder alles von Wladimir Kaminer. Ich sagte, dass mein Lieblingsschriftsteller auch Milan heiße, aber er hatte noch nie
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