Fucking Berlin
nicht wirklich zu, denn Milan starrte mich immer noch herausfordernd an. Langsam machte er mich damit nervös. Ich fing an, eine Serviette in kleine Stücke zu reißen und eine Haarsträhne um meinen Finger zu wickeln. Auch dass Tomas inzwischen eingetroffen war, bemerkte ich kaum.
Nach unzähligen Bier- und Wodka-Lemon-Runden schlug Ladja vor, in ein Café um die Ecke zu gehen, wo man Billard und Darts spielen konnte.
»Ich bin zu angetrunken, um Sport zu treiben. Ich bin nicht mehr so jung wie ihr«, witzelte Josh. Tomas und Ladja beharrten aber darauf, also beglich Josh die Rechnung und wir tranken aus.
»Ich komme auch mit«, sagte Milan, als wir schon vor der Tür standen. Tomas schaute ihn überrascht an, schließlich war er mit keinem von uns befreundet. Nur mir war klar, warum er mitwollte.
Es war Sommer und die Straßen waren voller Leben. Hunde, die friedlich in der Sonne schliefen, grillende Familien, Touristen in Straßencafés. Josh erzählte von einer Motorradtour durch die finnischen Wälder und einem improvisierten Rockkonzert, das dort auf einer Wiese stattgefunden hatte; die Musiker hatten sogar trotz einsetzenden Regens weitergespielt.
»Da müssen wir auch hin!«, rief Tomas begeistert. »Einfach zwei Zelte borgen und losfahren, das wäre irre geil. Ich fange morgen an, dafür zu sparen, ich schwöre es!«
»Wir könnten meine Angelausrüstung mitnehmen. Fische fangen und gleich am offenen Feuer rösten. Weißt du, wie viele Fische in finnischen Flüssen schwimmen?«, rief Ladja und legte seinen Arm um Tomas’ Schulter.
Milan und ich liefen hinter den drei anderen her und schwiegen. Ich merkte, dass er seine Schritte verlangsamte.
Und dann schoss ein verrückter Gedanke durch meinen Kopf: Du musst jetzt mit Milan verschwinden. Du musst mit ihm in die nächste Seitenstraße abbiegen und ihn fragen, was das Ganze soll. Warum die Blicke, die Gesten – was will er von dir? Weiß er nicht, dass du Ladjas Frau bist?
Natürlich hätte ich das nie getan, genauso wenig, wie Tomas mit einem Zelt nach Nordeuropa gefahren wäre. Ich arbeitete zwar in einem Bordell, doch privat war das eine ganz andere Sache. Ich hätte mir nie vorstellen können, Ladja zu betrügen.
Das Billardcafé war fast leer. Viele Stammgäste waren wahrscheinlich übers Wochenende weggefahren, und die, die in der Stadt geblieben waren, hockten am See oder im Park. Nur ein junger, dunkelhäutiger Mann und ein älterer Herr, offensichtlich sein Freier, saßen nebeneinander. Der Junge hatte tiefe Augenringe und rote Augen und sah generell etwas fertig aus. Seine dreckige Jeansjacke lag zusammengeknüllt auf dem Boden und er drückte pausenlos auf seinem Handy herum. Sein Freier trank ein Weizenbier und unterhielt sich mit dem Barkeeper über das ungewöhnlich warme Wetter. Ich kannte ihn flüchtig und wusste von Ladja, dass er darauf stand, Stricher mit der Peitsche zu bearbeiten.
Zu fünft saßen wir um einen runden Tisch und Josh gab eine Runde Jägermeister aus. Milan und ich lehnten ab und bestellten statt dessen zwei Colas. Ich konnte nicht aufhören, Milans Hände anzuschauen. Obwohl seine Haut ziemlich dunkel war, waren seine Finger zartrosa und ein bisschen pummelig, wie die eines kleinen Kindes. Das passt überhaupt nicht zusammen, dachte ich. In diesem Augenblick merkte ich, dass ich in ihn verknallt war.
Mädchenkram, schoss es mir im nächsten Moment durch den Kopf. Du bist zu intelligent dafür, du weißt, dass so eineEuphorie immer wieder mal auftaucht und flüchtig ist, wie eine Wolke am Himmel. Lass es! Ich war wütend, weil ich nicht glaubte, dass daraus etwas Gutes entstehen würde, und weil es nicht in mein Leben passte. Gleichzeitig war ich dankbar wie eine alte Frau, dass ich so etwas mal wieder erleben durfte, trotz der Tatsache, dass ich in einem Bordell arbeitete und fast jeden Mann mittlerweile als potentiellen Freier sah.
Das Gesprächsthema wechselte zu Extremsportarten. Josh war ein paar Mal Fallschirm gesprungen, Ladja wollte mir von einem Kumpel in Warschau erzählen, der an Motorcrosswettbewerben teilgenommen hatte. Doch ich hörte ihm wieder nicht zu.
»Würdest du aus zehntausend Metern Höhe loslassen können?«, fragte mich Milan plötzlich.
Ich schaute ihn erstaunt an.
»Weiß nicht. Es wäre schon toll, sich mal gedankenlos durch die Luft fallen zu lassen. Aber wahrscheinlich würde ich mich im letzten Moment doch irgendwo festhalten. Das ist wohl ein Urinstinkt – vielleicht
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