Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
Vom Netzwerk:
auf dem Balkon grillen oder in einem Café in der Sonne sitzen. Spießer, die die ganze Zeit ackern, um sich das neueste Handy oder einen Sportwagen leisten zu können, wollten wir auf keinen Fall werden, überhaupt war Angeben das Schlimmste, was man machen konnte. Aber ein bisschen Luxus sollte schon drin sein und reisen wollten wir natürlich auch.
    »Nach dem Studium finde ich bestimmt einen guten Job, dann ist das alles kein Problem. Ich werde beruflich viel herumkommen und du bist meine Begleitung«, verkündete ich stolz. Milan nahm meine Hand und hielt sie schweigend. In einem Winkel meines Gehirns wusste ich, dass wir uns mit den ganzen Träumereien gegenseitig etwas vormachten, aber in diesem Moment schien irgendwie alles möglich. So sehr ich Alkohol auch manchmal hasste, so gut war es, dass er mitunter alle Hemmungen löste und uns Dinge sagen ließ, die wir nüchtern nie gewagt hätten, uns auch nur vorzustellen.
    »Ich liebe dich«, hauchte mir Milan ins Ohr, während wir beschwipst die Straße entlangschwankten. Es war das erste Mal, dass er das sagte, und es traf mich unerwartet. Ich dich auch, hätte ich sagen wollen, ich freue mich auf dich, wenn wir verabredet sind, und bin traurig, wenn du nicht da bist, ich denke an dich, wenn ich aufstehe und bevor ich einschlafe und jedes Mal, wenn ich einen Kunden habe. Stattdessen winkte ich ein Taxi herbei und wir fuhren gemeinsam zu meiner Wohnung.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich nackt im Bett und hatte tierische Kopfschmerzen. Meine Klamotten lagen verstreut auf dem Boden, eine leere Rotkäppchenflasche mit zwei Gläsern stand auf meinem Schreibtisch – die einzige Spur von Milans Anwesenheit in der vergangenenNacht. Der Wecker auf meiner Kommode tickte laut, es war zwei Uhr nachmittags. Ansonsten war es in der Wohnung so leer und still, dass ich es kaum aushielt. Ich stellte das Radio an. In den Nachrichten war von einem Raubüberfall im Wedding die Rede und irgendwo hatte es gebrannt. Wenn Milan hier wäre, würden wir uns anziehen und spazieren gehen, dachte ich. Wir würden über Witze lachen, die nur wir verstehen, und ich könnte seine Haare streicheln.
    Ich dachte an die Worte von Natascha in Freiburg: »Sie brauchen einfach einen Kerl, der da ist und sagt, wie sehr er sie liebt, egal was für ein Arschloch er ist.« Ich wusste, dass sie recht hatte, ich wusste auch, dass ich hübsch und begabt war. Aber ich wollte nicht alleine sein.
    Ich rief Ladja auf dem Handy an: »Vergessen wir alles, komm einfach nach Hause«, sagte ich knapp und legte auf. Ladja war gerade bei Tomas, als ich anrief. Für die Strecke von Neukölln nach Moabit brauchte er mit dem Fahrrad diesmal gerade mal zwanzig Minuten.
    In der »Oase« waren alle Mädchen unglaublich mutig geworden, was das Reisen anging. Als ich erzählte, wie viel ich in Freiburg verdient hatte, war das Terminfieber ausgebrochen. Meine Kolleginnen verabschiedeten sich eine nach der anderen für einige Zeit, um in den verschiedensten Ecken Deutschlands lukrative Kurzzeitengagements in Bordellen wahrzunehmen. Als Letzte kehrte Ende Oktober Mimi, Mandys beste Freundin, sogar aus der Schweiz zurück und strahlte regelrecht vor Freude. Sie war zwei Wochen in Zürich gewesen und hatte dort in einem Club gearbeitet.
    »Alter, so viel Kohle habe ich in meinem Leben noch nie auf einem Haufen gesehen«, wiederholte Mimi immer wieder. Die exakte Summe wollte sie uns nicht verraten, dochan ihrem Arm hing eine Rolex, sie bestellte dauernd Klamotten aus Katalogen und hatte sich neue Schränke für ihre Wohnung gekauft, und das, obwohl sie vermutlich das meiste Geld durch die Nase gezogen hatte. Sie zahlte sogar Mandy einen Teil der Summe zurück, die sie ihr schuldete. Ich schätzte ihre Erträge in der Schweiz auf sechstausend Euro, was für zwei Wochen unglaublich viel war, selbst für Mimi mit ihren zwanzig Jahren, ihren riesigen Brüsten und ihrem braungebrannten Körper.
    »Irgendwann könntest du auch mal wieder wohin fahren«, dachte ich mir. Seinerzeit war ich mir sicher gewesen, diese Erfahrung nie wieder machen zu wollen, doch seitdem waren fast acht Monate vergangen und ich hatte unterdessen meine Meinung geändert. Sicher, ich hatte mein Zuhause vermisst und die Tage bis zur Rückkehr gezählt, aber ich war auch unvorbereitet gewesen und hatte nicht gewusst, was genau mich dort erwartete. Jetzt ist es anders, dachte ich mir, und wenn Mimi es packt, dann schaffst du das mit links.

Weitere Kostenlose Bücher