Fucking Moskau - Sex, Drugs & Wodka
abgekauft. Früher war das Haus dessen Residenz, jetzt ist es eine Mischung aus Galerie und Restaurant. Der Stil ist ein bisschen merkwürdig. Die meisten Räume sind noch klassisch russisch und protzig, doch an den Wänden hängt moderne Kunst von Malern wie Damien Hirst. Ich frage mich, wie sie die Kunstwerke gesichert haben, als uns der Besitzer später durch die Räume führt. Auf der Toilette des Revoljutsija hängen Fotos seiner größten Kritiker und von Leuten, die er persönlich nicht mag. Coole Idee und eine ganz andere Art, seinem Frust Luft zu machen.
Das Abendessen ist endlos, und immer neue Gerichte kommen auf den Tisch.
»Ich platze gleich!«, witzle ich zu Anna, die mich ohnehin schon mitleidig ansieht.
»Ich komme aus einer Gourmet-Familie und bin es gewohnt, viel zu essen, aber heute ist es für mich auch mehr als genug. Komm, wir trinken einen Verdauungsschnaps«, meint sie und grinst. Ich bin mir nicht sicher, ob sie etwas von mir will oder mich einfach nett findet.
»Mann! Nicht jede Frau steht automatisch auf dich«, sagt das Teufelchen auf der einen Schulter. »Aber doch sehr viele, und dann hast du ein Problem«, sagt der Engel auf der anderen. Egal, ich werde Distanz wahren und unverbindlich nett sein.
Am Ende des Abends fragt Anna mich noch, ob ich sie in eine andere Bar begleite, aber ich lehne dankend ab und verweise darauf, dass es schon spät ist und ich am nächsten Tag arbeiten muss.
»Was denkst du denn? Ich muss morgen auch früh raus«, antwortet Anna.
»Ich gehe trotzdem lieber nach Hause. Es ist erst Dienstag und ich weiß, wie das endet, wenn wir uns jetzt irgendwo betrinken.«
Anna grinst und verabschiedet sich mit einem Küsschen auf die Wange.
Kurz darauf organisiere ich mir ein Taxi. Mein Fahrer ist aus dem Kaukasus, genauer gesagt, aus der Krisenregion Dagestan. Dort gibt es andauernd Kämpfe zwischen der Regierung, Mafiagruppen und Islamisten. Er beginnt den üblichen Taxi-Small-Talk:
»Du bist nicht aus Moskau, hm? Wo kommst du her?« »Deutschland«, antworte ich kurz und prägnant, denn ich habe keine Lust auf Konversation.
»Ah, Deutschland. Mein Bruder lebt im Ruhrgebiet. Ich heiße übrigens Shamil«, sagt mein Fahrer.
»Was machst du in Moskau? Außer Taxi fahren«, frage ich Shamil, der eigentlich gar nicht wie ein typischer Kaukasier aussieht. Er ist um die dreißig, klein, freundlich und hat einen gepflegten Vollbart.
»Ich versuche, ein bisschen Geld zu verdienen, um Englisch und Arabisch zu lernen.«
Unsere Unterhaltung wird jäh unterbrochen. Wir hatten uns die letzten Minuten auf der zwölfspurigen Moskauer Ringstraße durch einen Stau gearbeitet. Staus sind nach Mitternacht eigentlich recht ungewöhnlich. Plötzlich steht unser Lada direkt vor einem Toten. Er liegt nur ein paar Meter vor uns verdreht auf der Straße. Neben ihm stehen ein paar Polizisten und betrachten ihn, vor ihm ein paar Absperrhütchen und hinter dem Toten ein Krankenwagen. Er liegt mitten auf der Straße. Weit und breit sehe ich kein kaputtes Auto oder dergleichen. Wir weichen wie alle anderen zur Seite aus und fahren an der Unfallstelle vorbei. Erst danach sehe ich mehr Polizei und ein Auto am rechten Straßenrand stehen. Noch einmal fünfzig Meter weiter liegt ein Motorrad an der Seite. Shamil schweigt.
»Das passiert zu oft«, sage ich.
»Weil sie alle fahren wie die Irren«, meint er. Es ist nicht selten, dass ein Motorradfahrer mit über hundert Sachen um die anderen Autos schießt. Erst letzte Woche habe ich gesehen, wie eine Biker-Rotte durch den zäh fließenden Verkehr geschossen ist. Der Erste hatte beiläufig beim Vorbeifahren die Spiegel der Autos neben ihm eingeklappt, damit die anderen später schneller durch die maximal einen Meter breite Lücke kamen. Es scheint den Leuten nicht bewusst zu sein, dass sie der kleinste Fehler das Leben kostet.
Aber so sind die Russen. Die Zukunft zählt nicht. Was zählt ist das Hier und Jetzt.
Es ist schon nach Mitternacht, als ich endlich zu Hause ankomme. Ich bin ganz schön fertig. Das vorige Wochenende bestand aus Partys und viel Alkohol. Heute wollte ich es eigentlich ruhig angehen lassen, und jetzt habe ich schon wieder ein paar Bier in mich hineingekippt. Egal, jetzt muss ich nur noch kurz mit dem Hund Gassi gehen, und dann kann ich mich aufs Ohr hauen. Mein Köter freut sich auf den mitternächtlichen Spaziergang. Wir machen das zwar jede Nacht vor dem Schlafengehen, aber immer wenn ich die Türe öffne, freut er
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