Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
behaglich und die grauhaarige Dame, die sie auf ihr Zimmer brachte, hatte einen Sohn in der Marine. Sie gab den Fairfax ihren besten Raum – mit Seeblick, verblichenen Blümchentapeten und einem Himmelbett. Mit einem Zwinkern versicherte sie Evangeline, dass sie bestimmt ein »schönes Stück Fisch« würde auftreiben können, wenn sie das Abendessen lieber in aller Ruhe in der Pension einnehmen wollten.
Das »schöne Stück Fisch« erwies sich meist als ein Hummer oder gekochter Krebs. Das Abendessen wurde im kleinen Wohnzimmer, auf einem kleinen Tisch am Kaminfeuer serviert. Jeden Abend fragte Richard, ob Evangeline nicht lieber in ein Restaurant oder ein Nachtlokal ausgehen wolle, doch sie beteuerte, dass sie es wunderbar gemütlich fand, sich neben ihn auf das Sofa zu kuscheln, Radio zu hören und zu plaudern. Das war viel schöner, als in einem verrauchten und lärmenden Nachtlokal zu sein, dachte sie. Wenn sie mit Laurent zusammen war, verbrachte sie die meiste Zeit in solchen Lokalen.
Von seinem Leben auf See wollte Richard nicht viel erzählen. Er wollte etwas über den Alltag im Dorf erfahren und amüsierte sich prächtig, wenn Evangeline von Tanni und Johnny berichtete und von Annas Geburt in Lady Marchmonts Morgensalon. Sie erzählte ihm auch, dass sie auf dem Land der de Balforts auf die Jagd ging, weil es so schwierig war, mit den mageren Lebensmittelzuteilungen zurechtzukommen. Fasane und Kaninchen gab es noch, und bisweilen sogar Wildenten vom Zierteich. Zum Glück war der Wildhüter gestorben, sodass sie bisher nicht erwischt worden war.
»Du wilderst?!« Richard brüllte vor Lachen. Sie erzählte ihm, wie Kipper ihr wie ein Hündchen hinterherlief, von Elsie und der Rattenfängerei und wie Lady Marchmont versucht hatte, Alice mit dem Pfarrer und Frances mit Hugo zu verkuppeln.
Ein Schatten flog über Richards Gesicht, als sie Alice’ Namen erwähnte. »Liebling, ich muss dir etwas gestehen. Ich fürchte, ich habe Alice schändlich behandelt. Wir waren verlobt, aber dann habe ich dich kennengelernt, und das war’s dann für mich. Ich war wie verhext.«
Evangeline legte ihm die Hand auf den Mund. »Pst, ich weiß. Kaum war ich in Crowmarsh Priors angekommen, fing Lady Marchmont an, Andeutungen zu machen, und ich fand bald heraus, warum Alice mich nicht leiden mochte. Doch … alles, was vorher war, ist jetzt egal«, sagte sie und wünschte sich plötzlich, es wäre tatsächlich so. Mit Richard war alles so … einfach so normal, so schön.
Sie gingen spazieren. Nach der langen Zeit auf See entging Richard nichts, er war begeistert, als er die ersten Krokusse und Osterglocken sah. Und jede Nacht liebten sie sich in dem großen Himmelbett. Zuerst war Evangeline scheu und zurückhaltend, doch zu ihrer Überraschung war es wunderbar. Richard war im Bett ebenso aufmerksam und liebevoll wie außerhalb und jede Nacht, wenn er eingeschlafen war, lag sie glücklich an seiner Seite und fühlte sich seltsam zufrieden und sicher. Die Albträume verschwanden. Wenn sie voller Schuldgefühle versuchte, sich Laurents Gesicht in Erinnerung zu rufen, stellte sie fest, dass es ihr nicht gelang, und so kuschelte sie sich an Richard, legte ihre Wange an seine Schulter und schlief ein.
Eines Morgens lagen sie noch einen Augenblick wohlig ausgestreckt im Bett und wappneten sich innerlich gegen die Kälte im Badezimmer am Ende des Flures, als Richard sagte: »Liebling, hast du mal über ein zweites Baby nachgedacht? Ich weiß, du hast eine schlimme Zeit hinter dir, aber meine Mutter sagt, eine Fehlgeburt bedeutet nicht, dass man keine Kinder mehr bekommen kann. Im Moment hast du alle Hände voll zu tun und ich könnte verstehen, wenn du vielleicht lieber noch warten willst. Es ist nur … nun, jetzt im Krieg ist alles so ungewiss und vielleicht dauert es eine ganze Weile, bis wir uns wiedersehen.«
»Hättest du gern ein Baby, Richard? Ganz ehrlich?«
»Am liebsten ein ganzes Kinderzimmer voll, mein Schatz.«
»Versuchen wir’s. Mal sehen, was passiert«, murmelte Evangeline sehnsüchtig.
Drei Tage, bevor Richard zu seinem Schiff zurückkehren sollte, erreichte ihn zur Teezeit ein Anruf. Mit düsterer Miene packte er hastig seine Sachen. Evangeline sah ihm dabei zu, sie war wie vor den Kopf gestoßen und zog sich hinter ihre übliche Verträumtheit zurück, damit er nicht mitbekam, wie elend sie sich fühlte. Sie wollte nicht, dass er sich Sorgen machte – und sie wollte ihn nicht gehen lassen. Nie
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