Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
unheilvoller Stimme.
»Oh, je! Dann stelle ich besser ein Schild auf.«
Die Anspannung zermürbte Tanni allmählich. Ende März bekam sie eine Nachricht von Rachel. Sie schrieb, dass die Deutschen ihren Informationen zufolge viele Kinder nach Auschwitz schickten. Und da sich Amerika und Deutschland nun im Krieg miteinander befanden, wurden die amerikanischen Quäker verhaftet, die die Hilfsaktionen im Südwesten Frankreichs leiteten, und der hilfreiche amerikanische Konsul war abberufen worden.Angeblich lebten Zwillingsmädchen auf einem Hof in einiger Entfernung von Gurs, aber Rachel hatte bisher noch niemanden gefunden, der zweifelsfrei feststellen konnte, dass es sich dabei wirklich um Lili und Klara handelte. Und so vergingen die Wochen ohne konkrete Hinweise.
Eines Tages kam Evangeline aus London zurück und berichtete Frances, der Colonel bei den Freien Franzosen sei einverstanden, dass die Résistance den Transport der Kinder übernahm, und zwar über die geheime Fluchtroute, auf dem abgeschossene RAF-Piloten nach England zurückgeschmuggelt wurden. Das würde allerdings einiges kosten und außerdem würden sie die ganze Aktion wahrscheinlich nicht vor dem Sommer starten wollen, wenn Landfahrzeuge mit Strohladungen unterwegs waren, unter denen man zwei Kinder leichter verstecken und quer durch Frankreich in die Bretagne schaffen konnte.
Dann kam aus heiterem Himmel ein Brief von Richard. Er schrieb, dass er Ende April zwei Wochen Urlaub habe. Er und Evangeline würden an die Küste fahren und einmal richtig zusammen Ferien machen.
Die anderen waren begeistert. »Dann hörst du vielleicht endlich auf, Trübsal zu blasen, Schätzchen!«, rief Frances.
Doch Evangeline schien merkwürdig bedrückt zu sein, auch wenn die anderen geschäftig hin- und hereilten und ihr bei ihren Reisevorbereitungen halfen.
Frances betrachtete sie kritisch und meinte: »Also wirklich, Evangeline, du hast dich ganz schön vernachlässigt.«
Evangeline war überrascht, als Tanni ihr zustimmte. Sie war selbstbewusster geworden und ihr Englisch hatte sich deutlich verbessert und so setzte sie die widerstrebende Evangeline auf einen Küchenstuhl und schnitt ihr mit ihrer Stoffschere die widerspenstigen dunklen Locken. »Das ist viel besser! Ich weiß, dass es dir egal ist, wie du aussiehst, aber denk doch an seine Moral!«, rief sie und bewunderte ihre Arbeit. »So, und nun deine Fingernägel.« Sie reichte ihr die Nagelbürste. Später zerschnitt sie einen alten Kopfkissenbezug und machte daraus einen neuen Kragen und Manschettenfür ein Kleid von Evangeline, das weniger schäbig aussah als die anderen.
Auf der Suche nach etwas, das sie Evangeline mitgeben könnte, stellte Frances Glebe House auf den Kopf und förderte schließlich zwei kostbare, mit Spitzen besetzte seidene Schlüpfer und Hemden zutage. Inzwischen galt es als Verstoß gegen die Bekleidungsvorschriften, Spitzen und Seide für Unterwäsche zu verwenden, doch Frances meinte, sie könne sich nicht vorstellen, wie das überprüft werden sollte. Evangeline beteuerte, sie habe alles, was sie brauche, doch Frances fegte ihre Einwände einfach beiseite. »Schätzchen, das sind praktisch deine Flitterwochen. Gleich nach eurer Hochzeit hattet ihr keine Zeit, weil Richard sofort wieder zur See gefahren ist. Und heutzutage ist Damenunterwäsche einfach unaussprechlich grau und trostlos und schrecklich. Manchmal kann ich mich gar nicht überwinden, sie überhaupt anzuziehen.«
»Frances!«
»Na, ist doch wahr! Sie kratzt fürchterlich. Und hier ist ein Hut, er ist ganz fesch, finde ich. Du wirst Richard auf gar keinen Fall mit diesem scheußlichen alten Filzhut seines Vaters entgegentreten.« Frances reichte ihr eine Hutschachtel. »Hier sind Handschuhe. Sie haben Tante Muriel gehört, und die hatte sie schon seit der Sintflut, aber wenigstens sind es Lederhandschuhe. Hier ist noch ein Paar Strümpfe – und hier ist ein Petticoat.« Tanni legte das Negligé und den dazu passenden Mantel, die Frances ihr gegeben hatte, in Evangelines Koffer, zusammen mit einer Flasche Whiskey, die Elsie von Bernie bekommen hatte. Während Evangeline weg war, sollte Elsie in das Haus der Fairfax’ ziehen und Tanni mit Maude, Tommy und Kipper helfen.
Evangeline dankte ihnen, sagte dann aber: »Ich sollte euch wirklich nicht allein lassen, bei der vielen Arbeit …«
»Man könnte wirklich glauben, dass sie diese Flitterwochenpanik gepackt hat, von der man immer hört«, sagte Frances zu
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