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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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sich der Fels auf der Höhe der Wasseroberfläche öffnete. Sie glaubte kaum daran, dass sie diese Stelle jemals wiederfinden würde, doch sie war sich sicher, dass es nicht weit sein konnte. Sie und ihr Vater hatten den Weg zur Höhle und zurück zwischen dem Mittagessen und dem Nachmittagstee zurückgelegt. Sie zermarterte sich das Hirn. Es war während der Sommerferien und sie hatten früh zu Mittag gegessen, erinnerte sie sich. Nehmen wir an, wir brauchten zwei Stunden hin und zwei Stunden zurück und waren rechtzeitig zum Tee wieder zu Hause… Sie begann, auf ihren Wanderungen an die Küste die Zeit zu stoppen.
    Eines Samstagnachmittags reichte sie die Gartenschere an Elsie weiter. Es war kurz vor zwei Uhr. Sie hatte eine Blase an der Hand und wusste genau, dass ihre Mutter ihr die Hölle heiß machen würde, weil sie sich das Mittagessen allein zubereiten musste. Nun musste sie noch das Altargeschirr putzen, doch bevor sie damit anfing, setzte sie sich neben das Friedhofstor und packte ein Butterbrot aus, das sie sich von zu Hause mitgebracht hatte. Das hatte alles keinen Sinn, dachte sie.
    Elsie stand mitten im Gestrüpp und hieb mit Wucht auf die Dornen und Ranken ein. Alice hörte lautes Rascheln, dann kreischte Elsie »Au! Ich bin mit dem Fuß in diesen blöden Rankenhängen geblieben!« und »Verdammt!«, gefolgt von einem schabenden Geräusch. »Hier, guck dir das mal an«, rief Elsie.
    »Was ist denn?« Alice stand auf und ging zu ihr.
    »Unter den Dornen hier ist das Grab mit diesem Ritter oben drauf. Da haben Bernie und ich immer drauf gesessen und geredet, als wir hier noch neu waren, bevor ich bei der Landhilfe angefangen hab. Ich glaub, es ist ein bisschen eingesunken. Mann, ist das ein Gestrüpp hier – wie wenn’s jemand drumgewickelt hätte. Man wüsste gar nicht, dass es überhaupt hier ist«, sagte Elsie. »Da ist so ’n Totenschädel, der steht vor, wie auf ’nem Hals irgendwie – ’n langer, wie ’ne Schlange. Ganz schön unheimlich, wenn du mich fragst, aber wahrscheinlich hat’s denen damals gefallen. Jedenfalls wollt ich sehen, ob der Schädel noch da ist, und bin mit dem Fuß in dem Dornengestrüpp hängen geblieben und hingefallen. Ich hab mich an dem Schädel festgehalten und irgendwas hat sich bewegt, aber ich kann nicht sehen, was.«
    Alice nahm die Gartenschere, schnitt ein paar Ranken zurück und schob sich in das Gewirr aus Dornenzweigen. Elsie zeigte ihr die Steinplatte mit dem grinsenden Totenschädel. Zwischen der Platte und der Kante des Steinsargs klaffte eine breite Lücke. Sie überlegte, was ihr Vater in dieser Situation getan hätte. Sie griff den Schädel und dabei fiel ihr auf, dass er genau in ihre Hand passte. Ihre Finger glitten in die Augenhöhlen und ihr Daumen schob sich in den grinsenden Mund. Seltsam, aber … Alice zog. Nichts geschah.
    »Ich glaub, ich hab ihn geschoben, als ich hingefallen bin. Versuch’s mal mit Schieben«, meinte Elsie.
    Alice schob. Nichts. »Fester«, drängte Elsie.
    Alice lehnte sich mit aller Macht gegen den Totenschädel und drehte ihn gleichzeitig. Mit einem schabenden Geräusch setzte er sich in Bewegung. Sie drehte ihn noch einmal und die Steinplatte schwenkte zur Seite. Ein Schwall kalter Luft und ein fauliger Gestank wehten ihnen entgegen. »Puh!«, machte Alice und trat hastig einen Schritt zurück.
    »Ich werd verrückt!«, sagte Elsie. »Meinst du, wir haben den Tunnel endlich gefunden, oder wie?«
    »Das will ich verdammt noch mal hoffen«, entgegnete Alice und unterdrückte den Impuls hinzuzufügen: »Man beendet eine Frage nicht mit
oder wie
, Elsie.« Ständig verbesserte sie die evakuierten Kinder Maude, Tommy und Kipper, dabei fluchte sie in letzter Zeit selbst ziemlich ausgiebig. »Wir kommen heute Nacht mit einer Taschenlampe wieder. Fürs Erste schichten wir die abgeschnittenen Zweige und Ranken so auf, dass man die Öffnung nicht sieht.«
    »Dafür interessiert sich doch sowieso keiner«, murmelte Elsie.
    Von seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer aus beobachtete Oliver erstaunt, dass die beiden jungen Frauen die Dornenranken zurücklegten, die sie gerade abgeschnitten hatten. Warum um alles in der Welt taten sie das? Hinter ihm öffnete sich eine Tür. Er blickte sich um und sah Nell Hawthorne in ihrem Putzkittel, das Haar unter einem Schal verborgen, den sie sich um den Kopf gebunden hatte. Die wöchentliche Putzaktion stand bevor. »Diese beiden zeigen wirklich Einsatz«, bemerkte er und wies mit dem

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