Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Kopf auf Alice und Elsie, die weitere Dornenranken zu dem Bereich zerrten, den sie gerade freigelegt hatten.
Dann fiel ihm auf, dass Nell unglücklich und durcheinander aussah. »Kommen Sie rein.«
Sie wischte sich die Augen.
»Nell, was ist denn los?«
»Ich dachte, Sie hätten’s vielleicht schon gehört, Herr Pfarrer. Albert ist gerade gekommen und hat mir erzählt, dass Mrs. Richard heute Morgen mit dem Elf-Uhr-dreißig-Zug nach London gefahren ist. War vollkommen aufgelöst, die Arme! Er hörte sie rufen und hielt den Zug zwei Minuten länger an, obwohl das gegen die Vorschrift ist. Hat gesagt, er hätt’s normalerweise nicht gemacht, aber an ihrem Gesicht konnte er sehen, dass es ein Notfall war. Sie rief ihm zu, dass grad jemand angerufen hätte mit der Nachricht, dass Mr. Richards Konvoi von einem dieser Wolfsrudel aus U-Booten torpediert wurde. Die Schiffe sind alle zerstört und die meisten Männer sind tot, aber ein paar konnten sich retten. Mr. Richard ist am Leben, aber Mrs. Richard sagt, er hat schwere Verbrennungen.Er und die anderen saßen die ganze Zeit in ihrem Rettungsboot, bei schrecklichem Wetter. Halbtot waren sie, als ein amerikanisches Schiff sie entdeckt hat. Er ist in ein Krankenhaus in London gebracht worden, wo sie Verbrennungen behandeln.«
Oliver fiel der sterbende deutsche Pilot ein und brachte vor Entsetzen kein Wort heraus, also fuhr Nell fort: »Wo ich die Mädchen da draußen beim Gärtnern seh, fällt mir ein, dass Tanni außer Albert wahrscheinlich die Einzige ist, die Bescheid weiß, und sie hat mit den fünf Kindern alle Hände voll zu tun. Ich geh besser und sag’s Miss Alice und Elsie. Oder würden Sie so gut sein, Herr Pfarrer?«
Oliver nickte. »Selbstverständlich. Ich gehe sofort.« Er stand auf.
»Und wenn man sich überlegt«, sagte Nell und begann zu weinen, »dass Mr. Richard letzten Monat erst auf Urlaub hier war, und er und seine Frau in den Zug gestiegen sind, so glücklich waren sie, sagt Albert. Das arme Mädchen und die arme Mutter! Manchmal, Herr Pfarrer, macht mich dieser Krieg so wütend. Ich bete zu Gott, dass er Hitler und all die Deutschen tot umfallen lässt, obwohl es wahrscheinlich nicht richtig ist, so zu beten. Ich nehme an, wenn er’s so gewollt hätte, dann hätte er’s schon gemacht und uns wär viel Elend erspart geblieben.«
25
London und Crowmarsh Priors,
Mai 1942
Im Krankenhaus schob ein abgehärmt aussehender Arzt Evangeline und Penelope in ein Nebenzimmer. Er war freundlich, doch er beschönigte nichts. Richard hatte großflächige Verbrennungen erlitten und war fast an Unterkühlung gestorben, bevor ein amerikanischer Zerstörer ihn und die wenigen Überlebenden rettete. Zuerst waren sie sich nicht sicher, ob er durchkommen würde. Elf Tage lang hielten Evangeline und Penelope an seinem Bett Wache. Es stand in einer von Vorhängen abgeteilten Nische auf der Wachstation, die voll von bandagierten, stöhnenden Männern war.
Als die unmittelbare Lebensgefahr gebannt war, konnten die Ärzte trotzdem nicht sagen, wie weit er wieder genesen würde. Wahrscheinlich würde er sein Augenlicht verlieren und sie mussten auf jeden Fall damit rechnen, dass er einen Rollstuhl brauchte, falls sich sein Zustand so weit besserte, dass er nicht mehr ständig ans Bett gefesselt war. Nun lag er bandagiert unter einem Zelt aus Decken und schlief oder war durch das Morphium zu benommen, um seine Umgebung wahrzunehmen.
Die Krankenschwestern brachten Becher mit Tee und schnitten die Rangabzeichen von seiner verbrannten Uniform. Sie gaben sie Evangeline, zusammen mit den wenigen Gegenständen, die sie in seinen Taschen gefunden hatten. Darunter war ein kleinerGoldklumpen. Die Krankenschwester betrachtete ihn genauer und dachte, dass er fast wie ein Baby aussah. Ein Talisman. Sie hatte viele verschiedene Glücksbringer gesehen, die Männer mit sich herumtrugen, und obwohl dieser hier wertlos aussah, warf sie ihn nicht weg, sondern legte ihn zu Richards bescheidenen Besitztümern wie seinem Kamm, seinem Soldbuch und einer feuchten Brieftasche mit einem Foto von Evangeline.
Wenn sie sich unterhielten, sprachen Evangeline und Penelope mit fester, munterer Stimme, für den Fall, dass er sie hören konnte. Von Zeit zu Zeit stand Penelope auf, ging in den Waschraum und weinte. Dann benetzte sie ihre Augen mit Wasser und kehrte zu ihrem Stuhl zurück. Sobald sie weg war, beugte sich Evangeline zu Richard und flüsterte ihm zu, dass er es versuchen müsse,
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