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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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New Orleans niemanden, an den sie sich wenden konnte?
    Evangeline hatte gehört, dass die farbigen Mädchen zu einer Frau namens Mama La Bas gingen. Sie machte Glücksbringer und wirkte Zauber, schwarze Magie, aber man musste vorsichtig mit dem sein, was sie einem gab. Wenn man etwas falsch machte mit dem Zauber, so hieß es, dann wandte er sich gegen einen. Es war eine schreckliche Sünde, zu solch einer Frau zu gehen. Die Kirche lehrte, dass Voodoo ein Werkzeug des Teufels sei, und da Evangeline katholisch erzogen war, hatte sie Angst. Aber mittlerweilewar sie so verstrickt in sündige Gedanken und Taten, dass es kein Zurück mehr gab. Um sich Mut zu machen, nahm sie forsch das volle Weinglas, das vor Richard stand und leerte es in einem Zug, während die Unterhaltung wieder auflebte. Alle begannen, auf einmal zu reden. Nur mit Richard sprach niemand.
    »Ist noch nicht lang genug im Süden«, sagte einer deutlich hörbar.
    »Versteht die Situation hier nicht. Die Farbigen waren vor zwei, drei Generationen noch Sklaven, sie sind wie Tiere, sie brauchen eine feste Hand«, antwortete ein anderer.
    Zu Richards ungeheurer Erleichterung rettete Evangeline ihn aus dieser unangenehmen Situation. Sie legte eine Hand auf seinen Arm. An ihrem Zeigefinger prangte ein altertümlicher Diamantring von unschätzbarem Wert. Auf dem Stein war ein Wappen zu erkennen. In verschwörerischem Flüsterton sagte sie: »Ich möchte Ihnen ein Geheimnis verraten.« Doch zuerst wollte sie wissen: Hatten ihre Brüder dafür gesorgt, dass er seinen Spaß hatte in New Orleans?
    Richard war wie verzaubert. Er spürte ihre Brust an seinem Arm und roch ihr Parfüm. Sie klimperte mit den Wimpern. »Ganz bestimmt, jede Menge Spaß«, schwärmte er.
    »Ich wette, André und Philippe haben Sie mitgenommen, runter ins Tremé-Viertel«, fuhr sie fort. »Dort sind die ganzen Bars und Lokale«, flüsterte sie und senkte wieder die Wimpern. »Die Nonnen in der Schule haben uns eingeschärft, dass es eine Todsünde sei, sich auch nur vorzustellen, was dort unten passiert. Aber bestimmt sind Ihnen die wunderschönen kreolischen Mädchen aufgefallen. Also …« Ihr Kopf lehnte jetzt fast an seiner Schulter. »Jetzt kommt das Geheimnis. Onkel Charles hatte ein Mädchen da unten, aber sie ist gestorben. Ich wette, die Jungs haben Sie mitgenommen, um ihren Sohn zu hören, Laurent Baptiste. Onkel Charles ist Laurents Vater. Laurent war gut in der Schule, so wie Onkel Charles es gesagt hat, aber was er wirklich mag, das ist die Musik. Er ist erstaunlich, er spielt Klavier und Saxophon und, ach, noch viel mehr Instrumente, und das besser als alle anderen – Ragtime und Swing und Jazz –, doch er kann nur im Tremé-Viertel spielen.«
    Richard war wie hypnotisiert. Sie war ihm so nahe, dass er ihren Atem auf seiner Wange spüren und ihr Parfüm riechen konnte, es duftete nach Gardenien in der Dämmerung. »Jedenfalls ist er das Familienmitglied, von dem Onkel Charles sprach. Und normalerweise wäre er nicht so unhöflich, ihn zu erwähnen, aber er vergisst sich, wenn er, ähm, über Geschäftliches spricht.« Sie setzte sich auf, als ihre Tante ihr einen scharfen Blick zuwarf, ließ aber ihre Finger nach unten gleiten, sodass sie wie zufällig seinen Oberschenkel streiften.
    »Lieber Himmel, Miss Fontaine! Ich … äh … Ihr Onkel erwähnte vorhin – ich hatte ja keine Ahnung, dass der Bursche zur Familie gehört. Er sieht, nun, er sieht wie ein Weißer aus.« Verwirrt erinnerte sich Richard an den gut aussehenden jungen Mann mit kupferfarbenem Haar am Klavier, der Evangelines Brüdern zugewinkt und augenzwinkernd gemeint hatte: »Verratet Granmère bloß nicht, dass ich wieder hier war. Sollte eigentlich im Büro sitzen.« Die Ärmel seines makellosen Hemdes waren aufgekrempelt und auf dem Stuhl neben ihm hing unter einem teuren Homburg die sorgfältig gefaltete Jacke eines gut geschnittenen Anzugs.
    Evangeline zuckte mit den Schultern. »Im Tremé-Viertel werden Sie keinen Weißen finden, der Klavier spielt. Wir sind schließlich in New Orleans. Alle wissen über die Beziehung zwischen uns und Laurent Bescheid, tatsächlich kommt so etwas ziemlich oft vor, selbst in den älteren Familien, also redet niemand darüber, es ist einfach so. Alle tun so, als wüssten sie von nichts. Dabei sind Laurent und meine Brüder praktisch zusammen aufgewachsen, auch wenn Weiße und Farbige offiziell nicht miteinander verkehren. Als Laurents Mutter starb, fand unsere

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