Fuenf Maenner Fuer Mich
treffen. Die Stunden schleichen dahin – zäh wie Kaugummi unter einer Schuhsohle.
Als wir uns endlich bei einer Latte macchiato gegenübersitzen, schweigt sie.
Ich halte es nicht länger aus und frage: „Worum geht es denn?“
Keine Antwort.
„Ist es, weil ich dir die DVD zu spät zurückgegeben habe?“, taste ich mich langsam vor.
Sie schüttelt den Kopf und presst die Lippen zusammen.
„Ist es, weil ich meinte, dass du, wenn du die Konditionen deines Arbeitgebers akzeptierst, auch gleich als Prostituierte arbeiten kannst? – Das war nicht so gemeint.“
Sie schüttelt den Kopf.
„Hat es was zu tun mit …“
Ich lasse die letzten Tage und Wochen Revue passieren: Was habe ich ihr bloß getan? Plötzlich durchfährt es mich wie ein Blitz: „Hat es was zu tun mit meinem Mann?“
„Ja.“ Sie klingt fast ein bisschen erleichtert.
Fest umklammere ich die Daumen beider Hände mit meinen Fingern, fast so, als wollte ich sie vor Diebstahl schützen. Ich hake nach: „Ist es wegen Gülay?“
„Ja.“
Mir wird eiskalt. Kein weiterer Gedanke mehr. Stillstand. Ich höre das Ticken einer altertümlichen Wohnzimmerstanduhr. Dabei steht da gar keine in dem Café. Ich hatte es gespürt, geahnt. Und wollte es nicht sehen. Ich hatte mich blind gestellt.
Vor vier Jahren hatte ich einen konkreten Verdacht. Mein Mann war damals wochenlang in Istanbul. Auch Yasemin war für einen Kurzurlaub in die Türkei geflogen und wohnte einige Zeit bei ihrer Schwester.
Eines Tages rief ich dort an. Gülay war am Apparat, doch statt zwitschernder Liebeserklärungen gab es diesmal nur Einsilbiges.
„Ist Yasemin da?“
„Nein.“
„Wann kommt sie wieder?“
„Keine Ahnung.“
„Wie geht es dir?“
„Ich muss auflegen.“
Es knackte. Die Leitung war tot.
Als Yasemin eine Woche später wieder in Köln war, fragte ich nach Gülay. „Was ist mit deiner Schwester los? Warum spricht sie nicht mehr mit mir?“
Yasemin wich mir aus. „Du kennst sie ja, sie ist eigen. Man weiß nie, woran man bei ihr ist. Mach dir nichts draus.“
Dann kam mein Mann zurück. Erstaunt bemerkte ich, dass er ständig SMS-Nachrichten bekam. Seit wann wusste er, wie das geht? Wo hatte er das gelernt? Eines Tages, als sein Handy wieder mal „Pling“ machte, fragte ich: „Na, wer hat dir geschrieben?“
„Ach, das ist Gülay.“
„Gülay?“, fragte ich. „Hast du Kontakt mit ihr?“ Und dachte bei mir: Gülay ist doch meine Freundin und nicht deine …
„Wir sehen uns ab und zu“, sagte er lapidar. Davon hatte er mir nie etwas erzählt.
Wie eine hängen gebliebene Schallplatte nistete sich der Verdacht in meinem Kopf ein, sie könnten ein Verhältnis haben. Ich fragte Yasemin.
„Also, soviel ich weiß, ist Gülay verknallt. In deinen Mann. Jeden Tag ruft sie mich an und fragt: ‚Was macht Deniz, wann kommt Deniz, wo ist Deniz?‘ Ich habe sie gebeten, mich in Zukunft mit dem Thema zu verschonen. Keine Ahnung, was da los ist. Wahrscheinlich nichts. Sie ist ein verrücktes Huhn, das weißt du doch. Frag doch Deniz, aber bitte erwähne das Thema nie wieder, ich will nicht zwischen euch stehen, du bist meine beste Freundin – und sie ist meine Schwester.“
Also fragte ich Deniz. Er wies den Verdacht empört von sich: „Sei doch nicht albern“, und umarmte mich. „Wie kommst du auf so dumme Ideen, Schatz?“
Er sagte sonst nie „Schatz“ zu mir. Aber ich schämte mich und war zugleich erleichtert. „Sei dir bitte nur im Klaren, dass sie in dich verliebt ist“, klärte ich ihn auf. „Gib ihr bitte keine falschen Signale.“
Alles war im Reinen. Ich atmete auf. Die Menschen, die mir am nächsten standen, hatten keinerlei Grund zu lügen. Ich hatte offen gefragt, sie hatten offen geantwortet. Gülays Name verschwand von einem Tag auf den anderen aus dem Wortschatz meiner Liebsten. Nie wieder wurde sie erwähnt. Weder von Yasemin noch von Deniz. Als hätte sie sich in Luft aufgelöst.
Bis heute. Gülay, da ist der Name wieder. Vier Jahre ist es her, dass meine Intuition ins Schwarze getroffen hatte. Wie Schuppen fällt es mir von den Augen, warum das Thema Gülay seit jenem Tag tabu ist. Führte Herr X vier Jahre lang ein Doppelleben zwischen Deutschland und der Türkei? Yasemin erklärt mir die Lage.
„Was ich jetzt aber gar nicht verstehe“, flüstere ich ermattet, „warum du mir die Freundschaft kündigen willst? Was hast du , was hat unsere Freundschaft damit zu tun?“ Ich bin überfordert. Zu viele Fragen
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