Fünf Schlösser
den die Wände schmückenden Gemälden befanden sich zwei, die an keinem anderen Orte so berechtigt gewesen wären wie hier. Das eine fixierte den Moment, wo der Prinz, nachmittags zwischen drei und vier, auf dem Schlachtfelde von Vionville erscheint und die Meldung des Generals von Stülpnagel über die momentane Situation der 5. Division entgegennimmt. Das andre Bild zeigt den Prinzen am 29. Oktober vor Metz , in dem Augenblicke, wo der französische General Girard mit abgezogenem Käppi den Auftrag Bazaines ausrichtet: ›Monseigneur, j'ai l'ordre de vous rendre la garde impériale.‹ Zu diesen zwei Bildern gesellte sich noch ein drittes von verwandtem Interesse: Der kommandierende General des IX. Corps von Manstein erstattet am 11. Januar 1871, bei der Ferme St. Hubert, dem Prinzen Meldung über die Aktion bei Champagné (vor Le Mans); der Kommandeur der siegreichen 18. Division, General von Wrangel, steigt eben zu Pferde; von der Seite sieht man General von Alvensleben, Kommandierenden des III. Corps, heransprengen, begleitet vom Chef seines Stabes, damaligen Obersten von Voigts-Rhetz.
Noch ein anderer Gegenstand – aus dem Schloß Frescati bei Metz stammend – bot gerade hier ein besonderes Interesse: ein rechteckiger Tisch mit schwarzer Marmorplatte, deren vier Ecken die folgenden Inschriften, auf Goldbronce graviert, trugen:
a) 173 000 Gefangene, darunter 3 Marschälle, 6000 Offiziere. Verlust der Rheinarmee, bis zur Kapitulation, in Schlachten und Gefechten: 43 000 Mann.
b) 57 Adler (folgen die Bezeichnungen und Nummern sämtlicher Regimenter, von denen die Adler stammen).
c) 4700 Militärfahrzeuge; 13 000 Pferde; Bekleidungsmaterial für 700 000 Taler im Wert.
d) 1570 Geschütze (unter besonderer Angabe der einzelnen Gattungen).
Die Herkunft und Bedeutung dieser historischen Reliquie (des Tisches) war mir unbekannt geblieben, bis der Prinz mich eines Tages bei der Hand nahm – wie er gerne tat, wenn er seinem herzlichen Wohlwollen einen Ausdruck geben wollte – und mir sagte: ›Auf diesem Tisch ist die Kapitulation von Metz unterzeichnet worden.‹
So war das Speisezimmer im Königlichen Schlosse zu Berlin, und ich sehe, während ich dies niederschreibe, wieder die durch Reflektoren erleuchteten Gemälde vor mir und dazu den kleinen Tisch der Tafelrunde, bedeckt mit dem mattfarbigen Smyrnateppich, in seiner Mitte die trauliche Lampe, darum herum die glitzernden silbernen Becher mit dem auf Goldgrund gebetteten perlenden Wein, die Aschenbecher mit den unermüdlich tätigen Laubfröschen, die braunen Havannakisten, die große mattglänzende Bombe mit den holländischen Zigarren – und als Tafelrunde selbst den Kreis der Männer, die den Prinzen umgaben. Das waren die ›buveurs intrépides‹ (wie uns der Prinz einmal in scherzender Verachtung eines vielbesprochenen Pamphlets nannte), dieselben unerschrockenen Trinker, welche den Tag über im Generalstab oder im Ministerium, vor der Front oder am Studiertisch in schwer verantwortlicher Stellung gearbeitet hatten und welche am folgenden Morgen dieselbe Tätigkeit wieder aufnehmen mußten. Wäre nicht auch des großen Königs Tafelrunde zu Sanssouci stolz darauf gewesen, einen Mann wie Leopold von Ranke zu den ihrigen gezählt zu haben?«
So Dr. Paul Güßfeldt in seinem trefflichen Essay, dem ich, wenn auch aus minder reicher Erfahrung, einiges wenige hinzufügen möchte. Januar bis März 82 bewohnte der Prinz, statt der Zimmer im zweiten Stock, eine zwischen dem Schloßplatzportal und der Schloßfreiheitecke gelegene Parterre zimmerreihe. Die Einrichtung war die von Dr. G. geschilderte. Zieh ich eine Parallele zwischen den Reunions in Dreilinden und denen im Königlichen Schlosse, so waren die Dreilindener Zusammenkünfte heiterer und poetischer (schon durch die Szenerie), die im Schlosse dagegen lehrreicher und interessanter. Es konnte dies auch kaum anders sein. In Dreilinden saß man zu zwölf, im Schloß zu sechsen am Tisch, und während sich in Dreilinden das Gespräch in Nachbarplaudereien auflöste, blieb es im Schloß geschlossen. Immer einer hatte das Wort. Und dieser eine war meist ein Sprechefähigster. Manche freilich, die wohl hätten sprechen können, schwiegen sich aus, nach dem Satze »Schweigen ist Gold«. Einmal kam das Gespräch auf Orden, und der Prinz gab Befehl, daß sein Ordenskasten herbeigeschafft würde. Der Kasten kam denn auch und wurde durchmustert, bei welcher Gelegenheit wir erfuhren, daß
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