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Fünf Schlösser

Fünf Schlösser

Titel: Fünf Schlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Januar . In neunzehnstündiger Fahrt (von fünf Uhr früh bis zwölf Uhr nachts) nach Siût .
    14. Januar . Bis Mittag in Siût. Dann von Siût bis Nechêla.
    15. Januar . In langer Fahrt (bis elf Uhr abends) bis Sohag. »An diesem Orte mühte sich der junge Kopte Bedir, ein Sohn des unsichtbar bleibenden greisen Konsularagenten, dem Prinzen die Huldigungen einer der ärmlichsten und erbärmlichsten Städte Oberägyptens in angemessener Weise darzubringen. Es gab warmen Champagner, und drei Tänzerinnen, in Begleitung ihrer musikalischen Helfershelfer, erschienen und setzten ihre Füße auf den Teppich. Kaum aber hatte der Tanz begonnen, als plötzlich eine unglaublich vornehme Erscheinung den Vorhang lüftete und langsamen Schrittes in den Saal eintrat. Eine hohe geisterhafte Frauengestalt mit den edlen Zügen einer Tochter Ramses II., in eng anliegendem schwarzen Sammetkleide, dessen Ränder mit schmalen goldenen Borden besetzt waren, die Brust mit breitem Halsbande aus goldenen Münzen bedeckt, auf dem Kopf eine Haube mit dicht aneinandergereihten Goldstücken, so trat das olivenblasse Weib mit ihrem würdevollen Gange und den sittig niedergeschlagenen Augen wie ein zum Leben erwecktes Bild aus dem Rahmen einer bunten Grabeswand. Der Eindruck des unerwarteten Anblicks war so groß, daß die Zuschauer in das höchste Erstaunen ausbrachen, denn das leibhaftige Gespenst einer altägyptischen Königstochter wankte in langsamen Schritten ihnen immer näher. Der Sohn des Konsuls kannte sie genauer und erzählte, daß ihr Vater ein Türke, ihre Mutter eine Araberin gewesen sei und daß die Leute sie ›Aelfieh‹ nannten, weil man bei ihrem Anblick in das Wort ›Aelf marschallah‹ ausbrach, das heißt ›Ei, der Tausend‹. Die Aufforderung, anderen Tages dem Major von Garnier zu einem Bilde zu sitzen, wies sie zurück, weil ihr einziges Kind schwer erkrankt sei.«
    16. Januar . Bis Farshut.
    17. Januar . Bis Kenneh und Dendera. »Dendera (griechisch Tentyra) ist berühmt durch seinen Tempel, in welchem, von den Tagen des Königs Chufu-Cheops an, die Tentyriten der ägyptischen Aphrodite, unter ihrem Namen Hathor, göttliche Verehrung bezeugten und sie anriefen als ›die Große im Himmel, die Mächtige auf Erden und die Gefürchtete in der Tiefe‹. Von dem ihr geheiligten Tiere, der Hathor-Kuh, wissen noch heute die Anwohner zu erzählen, denn der Tempel von Dendera sei auf dem Rücken einer Kuh gebaut, und in nächtiger Stunde zeige sich bisweilen die langgehörnte Tiergestalt vor dem Tempel. Der Prinz durchwanderte die Säle, Hallen, Krypten und Gänge des Tempels bis zum Dache hinauf und gewann zum erstenmal, durch Anschauung, die richtige Vorstellung über die Anlage eines altägyptischen Tempels.«
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    Den auf der Reise gemachten Aufzeichnungen Brugsch-Paschas bin ich in diesem Kapitel gefolgt. Brugsch-Paschas Aufzeichnungen sind niedergelegt in einem im Jahre 1885 bei Trowitzsch und Sohn in Frankfurt a. O. erschienenen, von Major von Garnier reich illustriertem Prachtwerke in Großfolio, das den Titel führt: »Prinz Friedrich Karl im Morgenlande, dargestellt von seinen Reisebegleitern Professor Dr. H. Brugsch-Pascha und Major Franz Xaver von Garnier.« [Image: Zurück]
 
Trotz dieser Äußerung wird sich sagen lassen, daß der Prinz, dem Marschall Bazaine gegenüber, stets voll Respekt und jedenfalls voller Teilnahme war. Ich habe selbst solche Äußerungen aus des Prinzen Munde gehört. Und was nun gar die von Parteigängern so viel und so leidenschaftlich verurteilte Haltung Bazaines in der »Kaiser-Max-Frage« angeht, so habe ich mich nie davon überzeugen können, daß ihn oder Napoleon den Dritten irgendein Vorwurf trifft. Napoleon war gezwungen, so zu handeln, wie er handelte, und Bazaine ließ den jungen Kaiser Max nicht feig oder verräterisch im Stich, sondern ging erst, als dieser sich dem Rückzuge nicht anschließen wollte. »Man sagt, er wollte sterben«, paßt auch hier. [Image: Zurück]
 
Auf diesen Spaziergängen überraschte die Reisenden eine ebenso feine wie witzige Schlagfertigkeit des niederen Volks. Ein Bettler fiel durch Zudringlichkeit lästig. »O Schech«, sagte Brugsch, »bitte lieber deine Brüder , die Hand zu öffnen.« Der Bettler antwortete: »Bist du kein Sohn Adams?. Ein anderes Mal sah Brugsch einen Araber sich mit Wegwälzung eines riesigen Steinblocks abquälen. »Du solltest ihn lieber tragen«, sagte B. scherzend. »Ich bin dazu bereit, sobald du ihn mir

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