Fünf Schlösser
Güßfeldt, dem ich hier zunächst und mit allem Vorbedachte das Wort gebe, »war doch in vielem anders, als die Welt sich ihn vorzustellen pflegt, und empfand beispielsweis (um nur eines zu nennen) eine große Freude daran, sich zu belehren. Er las nie flüchtig und hielt streng an der Gewohnheit fest, bemerkenswerte Stellen mit Bleistift anzustreichen. Eine besonders wertgehaltene Lektüre war ihm Rankes Weltgeschichte. Gern verlieh er Bücher an nahestehende Freunde und brachte dann abends das Gespräch auf den Inhalt derselben. Hätte seine Neigung den Ausschlag gegeben, so wär er sehr wahrscheinlich Seefahrer oder Forschungsreisender geworden. So wie viele Seeleute bekannt sind durch ihre Reiterpassion, so stak in dem prinzlichen Reitergeneral eine bis zur Schwärmerei gesteigerte Passion für die See. Ich glaube, daß – abgesehen von den großen historischen Momenten erfochtener Siege – der Prinz seine schönsten Stunden an Bord deutscher Kriegsschiffe verlebt hat; auch begegnete man an seiner kleinen Tafelrunde häufig der dunkelblauen Uniform der Marineoffiziere. Er liebte die See an sich, und alles, was die streng militärische Zucht und unablässige Pflichterfüllung in diesem tief empfindenden Herzen verschlossen gehalten hatte, das durfte beim Spiel der Meereswellen in Träumereien ans Licht treten. Er liebte die See aber auch als die Brücke zu fernen Weltteilen, die von seinem Tatendrang und seiner Phantasie mit unverlöschlichen Heizen ausgeschmückt wurden. Wenn dem Prinzen Friedrich Karl nicht eine höhere Mission, seinem eigenen Lande gegenüber, zugefallen wäre, so wüßt ich auch in der Tat nicht, wo sein Löwenmut, sein großer Verstand, seine Empfindsamkeit und sein gestählter Körper bessere Ziele hätten finden können als in der Erforschung unbekannter Länderabschnitte. Doch in diesem Punkte mußt er Entsagung üben. Er erkannte die Notwendigkeit der Schranken an und konnte doch die Wünsche nicht vergessen. Und da lagerte sich denn wohl die Wolke des Unmuts auf seine Stirn.
Allgemein gekannt und gewürdigt ist nur das , was der Prinz als Heerführer leistete, sein inneres Wesen aber hat sich nur wenigen erschlossen und ist deshalb fast ein Geheimnis geblieben. Daß es so war, lag in dem Charakter des Prinzen. Popularität war ihm wesenloser Schein. Nicht in der Akklamation der Menge sah er den Lohn seiner Taten, sondern in dem Bewußtsein erfüllter Pflicht. Ja mehr, er gehörte zu denen, die eine verhängnisvolle Freude daran haben, ihre edlen Seiten hinter schroffem Auftreten zu verbergen, und im Bewußtsein ihres Wertes und ihrer Taten fremdes Urteil entbehren zu können glauben, während sie doch in Wirklichkeit davon affiziert werden. Derartigen Charakteren wird man nur gerecht, wenn Ehrerbietung, Treue, Dankbarkeit dem Verständnis den Weg bahnen. Aus meiner Gesinnung habe ich das Recht, aus meinen Erlebnissen die Möglichkeit entnommen, über den Prinzen Friedrich Karl zu sprechen. Ein banaler Panegyrikus würde sich nicht ziemen.
Ein starker Wille und ein weiches Gemüt bildeten die Angelpunkte in dem Charakter des Prinzen. Diesen Willen an großen Taten zu erproben, war ihm ebensosehr Bedürfnis, wie sein Gemüt in Sympathie zu sonnen. Alles, was er tat, tat er mit Energie. Festhalten und Durchführung einmal gefaßter Entschlüsse, das war der vielleicht hervortretendste seiner Züge. Seiner Antipathien Herr zu werden ward ihm schwer . Aber wie leicht wog das neben der Treue, die er übte. Wen er seiner Freundschaft oder seines Schutzes wert erkannt hatte, den konnte nichts aus seinem Herzen reißen. Sein rascher Geist forderte schnelles Verständnis, und wenn er dies nicht fand, so verbarg er seinen Unmut nicht immer. Für sein Handeln und Denken war stets das aut aut maßgebend. ›Triumph oder Untergang, aber kein Kompromiß‹, das wäre das Feldgeschrei des Prinzen in dem Kampf des irdischen Daseins gewesen, wenn nicht ein zwiefaches Pflichtgefühl: das des preußischen Soldaten und das des preußischen Prinzen, diesen Ruf unterdrückt hätte, wo es galt, einem höheren Willen Folge zu leisten. Aus diesem Pflichtgefühl zog er aber auch alle Konsequenzen. Er faßte den königlichen Dienst so auf, daß die Sache der Person übergeordnet sei. Manche militärische Carrière hat der Prinz mit ruhiger Hand gebrochen, sobald die schlagfertige Tüchtigkeit der Armee ihm ein solches Opfer abforderte, dieselbe Hand, welche in stiller Heimlichkeit bedrängten
Weitere Kostenlose Bücher