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Fünf

Fünf

Titel: Fünf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Die Jeans, die rote Seidenjacke, die Bluse mit dem zarten Blumenmuster. Hochhackige rote Schuhe, passend zur Jacke. Die Schuhe, die noch nicht wiederaufgetaucht waren.
    Nora strahlte in die Kamera, mit den Fingern der erhobenen rechten Hand formte sie ein Victory-Zeichen.
    Das nächste Bild. Nora saß neben der Frau im blauen Kleid. «Ist das Irene …»
    «Irene Grabner», half Drabcek bereitwillig. «Ja. Die putzt sich immer so heraus.»
    Stand ihr aber. Beatrice klickte sich vorwärts. Nora und Irene hatten sich um die Schultern gefasst, lächelten. Danach ein Bild des jungen Manns im Anzug, eines von Winstatt und einer weiteren Frau, dann mehrere Aufnahmen des ganzen Tischs, die Gruppe schien nun vollständig zu sein. Sechs Leute. Nein, sieben, denn Drabcek fotografierte ja, war allerdings auf ein paar der folgenden Bilder auch selbst zu sehen. «Die hat Nora gemacht», sagte sie leise.
    Nora. Auf jedem Foto strahlend fröhlich. Beatrice arbeitete sich vorwärts. Aperitifs, man prostete sich zu. Das Essen wurde serviert. Einige Großaufnahmen prächtig dekorierter Speisen. Essende Agenturmitarbeiter. Gespräche.
    Dann war Noras Sitz plötzlich leer. Beatrice kniff die Augen zusammen. War etwas von ihr zu sehen, im Hintergrund? Nein, nicht auf diesem Foto. Das nächste war mit mehr Weitwinkel aufgenommen worden, doch der Hintergrund war unscharf. Ein weiteres Bild, da war ein roter Fleck, der in etwa die Farbe von Noras Jacke hatte.
    Fünf Aufnahmen später war sie wieder da und saß an ihrem Platz. Selbst auf dem kleinen Display konnte Beatrice erkennen, dass etwas Entscheidendes passiert sein musste, denn Nora lächelte nicht mehr. Ihre Augen blickten an der Linse vorbei. Ins Nichts. Oder nach innen. Auf einem der späteren Bilder hatte sie die Kerze, die auf dem Tisch stand, zu sich herangezogen und starrte in die kleine Flamme.
    Dann kam eine Reihe von Fotos, auf denen Nora nicht zu sehen war, dafür ihre Kollegen, lachend, sich zuprostend, gestikulierend. Auf dem Tisch standen eine halbvolle und eine leere Flasche Wein.
    Ich darf nicht einseitig denken, schärfte Beatrice sich ein. Der Anruf muss nicht der Auslöser gewesen sein. Gut möglich, dass sie wirklich zu viel Alkohol getrunken und bloß Schädelbrummen gehabt hat.
    Auf dem nächsten Foto saß sie da, beide Ellenbogen auf die Tischplatte vor sich gestützt, und hielt sich den Kopf. Es folgten Bilder vom Servieren des Desserts, und kurz danach eine Gruppenaufnahme, auf der Noras Stuhl bereits leer war.
    Beatrice blickte auf. «Darf ich Sie fragen, wieso Sie so viele Fotos gemacht haben? Sie können kaum zum Essen gekommen sein.»
    Ein schmales Lächeln. «Die Kamera ist neu. Ich wollte unbedingt ausprobieren, was sie kann. Ich fotografiere gern, wissen Sie.»
    Nora tauchte auf den folgenden Fotos nicht mehr auf. Beatrice gab die Kamera an Stefan weiter. «Wir werden die Fotos auf Datenträger kopieren und mitnehmen, ich hoffe, mit Ihrem Einverständnis.»
    «Ja. Natürlich.»
    Während Stefan bereits das Notebook und ein passendes USB -Kabel aus seinem Aktenkoffer holte, lehnte Beatrice sich über den Schreibtisch und sah Rosa Drabcek einige Sekunden lang schweigend an. Die meisten Leute begannen dann, hektisch zu reden, Dinge herauszusprudeln, die man sonst vielleicht nicht erfuhr, doch Drabcek gehörte offenbar nicht zu ihnen. Sie schwieg.
    «Ist Ihnen an diesem Abend etwas Besonderes an Nora Papenberg aufgefallen? Auch wenn es nur eine Kleinigkeit war?»
    Kopfschütteln. «Nein. Sie war wie sonst, bis ihre Kopfschmerzen anfingen, aber nicht einmal das war ungewöhnlich. Ab und zu kriegte sie eine Art Migräne. Sie hatte auch immer eine Packung Tabletten auf ihrem Schreibtisch liegen.»
    «Hat Nora Ihnen gegenüber erwähnt, mit wem sie telefoniert hat?»
    «Nein. Ich habe sie aber auch nicht gefragt.»
    «Gut. Dann schildern Sie mir doch bitte, wie der Abend aus Ihrer Sicht abgelaufen ist.»
    Die Erzählung unterschied sich nur unwesentlich von dem, was Winstatt berichtet hatte. Beatrice entließ Rosa Drabcek aus dem Chefbüro und bat sie, Irene Grabner hereinzuschicken.
    Auch ohne das blitzblaue Kleid wirkte Grabner – wie hatte Rosa Drabcek das ausgedrückt? – richtig: herausgeputzt. Sie war eine jener Frauen, die sich Geschirrtücher umwickeln konnten und darin immer noch phantastisch aussahen. Beatrice warf Stefan einen schnellen, tadelnden Blick zu, worauf er sein Lächeln auf ein professionell akzeptables Maß herunterschraubte.
    «Sie

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