Fünf
eingeschweißt …
«Beatrice?»
Sie fuhr hoch, sie hatte Stefan nicht kommen hören.
«Ja?»
«Ich habe vorhin mit der Agentur telefoniert, die warten auf uns, wenn wir jetzt hinfahren.» Er lächelte, schüchtern und vorfreudig, als hätte er sie gebeten, ein Weihnachtsgeschenk zwei Tage früher öffnen zu dürfen, und wartete nun gespannt auf ihre Erlaubnis.
Unwillkürlich lächelte sie zurück. «Richtig. Danke, dass du dich um den Termin gekümmert hast. Ich packe schnell meine Sachen, nimm du das Aufnahmegerät mit.»
Die Kekse, die in einer Schale auf dem runden Besprechungstisch lagen, waren dem traurigen Anlass angemessen. Um den Tisch herum saßen zwei Männer und drei Frauen. Als Beatrice und Stefan eintraten, erhob sich der größere der Männer und streckte ihnen eine Hand entgegen. «Max Winstatt. Mir gehört die Agentur, und es liegt mir sehr am Herzen, Ihnen bei der Aufklärung von Noras Tod jede erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen.» Er war definitiv nicht aus Salzburg, bei seiner Aussprache musste Beatrice ans Ruhrgebiet denken.
«Mein Name ist Kaspary, und das ist mein Kollege Stefan Gerlach.» Sie stellte ihre Tasche auf einem freien Stuhl ab. «Gibt es hier einen Raum, in dem wir uns ungestört unterhalten können? Ich würde gerne mit jedem von Ihnen allein sprechen.»
Winstatt nickte eifrig und führte Beatrice ins Nebenzimmer, das von einem großen, gläsernen Schreibtisch beherrscht wurde. «Ich stelle Ihnen selbstverständlich mein Büro zur Verfügung. Rosa, bringst du uns bitte Kaffee? Sie trinken doch eine Tasse, oder? Mit Milch und Zucker? Wir sind alle so erschüttert von Noras Tod, es ist schwer zu glauben, sie war …»
Beatrice winkte Stefan heran, der das Aufnahmegerät auf den Tisch legte. Sie selbst zog Notizblock und Stift aus ihrer Tasche.
«Wir können gerne gleich mit Ihnen beginnen, Herr Winstatt. Würden Sie bitte die Tür schließen?»
Er folgte ihrer Aufforderung unverzüglich, setzte sich dann auf seinen Drehstuhl und verschränkte die Hände auf der Tischplatte.
«Können Sie mir den Abend aus Ihrer Sicht beschreiben? Alles, was Sie über den Ablauf noch wissen, besonders natürlich alles, was Nora Papenberg betrifft.»
Er ließ sich einen Augenblick Zeit, bevor er zu sprechen begann. Gut. Vielleicht würde er ihnen nicht nur Worthülsen auftischen.
«Wir hatten einen Tisch im ‹m 32 › reserviert, um 19 Uhr ging es los, und Nora war als eine der Ersten da. Fröhlich, absolut unbeschwert, wenn Sie wissen, was ich meine.»
Beatrice nickte. «Was hatte sie an?»
Er musste nur kurz überlegen. «Eine rote Jacke. Hosen. Unter der Jacke – das weiß ich nicht mehr, nichts Auffälliges. Aber Rosa hat an diesem Abend Fotos gemacht. Erich auch, auf seinem Handy, wenn ich mich nicht täusche.»
Beatrice und Stefan wechselten einen überraschten Blick. «Ausgezeichnet. Haben Sie die Fotos hier?»
«Erich hat sein Handy ganz sicher dabei, Rosa ihre Kamera möglicherweise auch. Ist einer dieser Kompaktapparate, die passen in jede Handtasche –»
«Ich verstehe», unterbrach ihn Beatrice. «Lassen Sie uns später auf die Fotos zurückkommen. Nora war also früh da und guter Laune. Was ist dann passiert?»
«Wir haben alle einen Aperitif getrunken, und dann habe ich eine kurze Ansprache gehalten. Weil wir einen für die Größe unserer Agentur sensationellen Etat gewonnen hatten, deshalb auch die Feier. Danach haben wir bestellt.»
«Hat Nora neben Ihnen gesessen?»
«Nein, neben Irene. Irene Grabner, auch Texterin und Konzepterin. Aber ich weiß noch, was sie bestellt hat: erst Fischsuppe, dann Kalbsbries in Madeirasoße. Ich hatte dasselbe, deshalb …»
Ein unpassender Moment, um sich des eigenen leeren Magens bewusst zu werden, fand Beatrice. Mit dumpfer Sehnsucht dachte sie an den Keksteller im Besprechungsraum.
«Es wurde auch Wein getrunken, falls das wichtig ist», fuhr Winstatt fort.
Es klopfte an der Tür, und eine der Mitarbeiterinnen balancierte ein Tablett mit drei Kaffeetassen herein.
«Sind Sie Rosa?», erkundigte sich Beatrice.
«Ja», sagte die Frau und warf ihrem Chef einen verunsicherten Blick zu. «Rosa Drabcek.»
«Haben Sie Ihren Fotoapparat hier? Den mit den Bildern vom Agenturessen?»
«Ich … ich glaube schon. Ich sehe gleich nach.»
«Dann sprechen wir mit Ihnen als Nächstes.» Beatrice nahm mit dankbarem Lächeln eine der Tassen entgegen und nippte am Kaffee. Schwarz, stark. Ihr Magen zog sich protestierend
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