Fünf
dass sie ermordet wurde.»
Zitterndes Einatmen. «Nein.» Tränen traten in die Augen des Mannes. Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Sie ließen ihm Zeit, Bea reichte ihm ein Taschentuch, das er erst nach einigen Sekunden bemerkte und zögernd entgegennahm.
«Sie haben Ihre Frau am Freitag zuletzt gesehen?», fragte Florin.
Papenberg nickte. Blinzelte. «Es gab am Abend ein Agenturessen, zu dem ist sie gefahren. Dort angekommen ist sie auch, aber um halb zehn schon wieder aufgebrochen. Ich habe mit ihren Kollegen gesprochen; sie sagen, Nora wollte nach Hause. Wegen Kopfschmerzen.»
Jetzt sah er Beatrice an, seltsam hoffnungsvoll, als könne sie aus ihren Notizen eine Gleichung erstellen, die allem einen Sinn geben würde. «Ihre Kollegin Rosa sagt, sie hätte kurz vorher noch telefoniert.»
Das war wichtig. «Wir werden mit den Kollegen Ihrer Frau sicherlich noch sprechen», sagte Beatrice. «Ein Handy haben wir bei ihr allerdings nicht gefunden. Wissen Sie, welches Modell sie benutzt hat?»
«Ein Nokia N 8 , das habe ich ihr … zum Geburtstag geschenkt.» Jetzt brach seine Stimme, sein Oberkörper krümmte sich vor, er bebte vor unterdrücktem Schluchzen.
Sie ließen ihm Zeit, sich wieder zu fangen.
«Geben Sie mir bitte die Nummer Ihrer Frau? Wir werden überprüfen, mit wem sie gesprochen hat.»
Konrad Papenberg nickte und zog sein eigenes Handy aus der Hosentasche. Er öffnete die Kontakte und ließ Beatrice die Telefonnummer abschreiben. «Ich habe sie in dieser Nacht mindestens dreißig Mal angerufen.» Seine Worte waren schwer zu verstehen, die Stimme vollgesogen mit Trauer. «Aber sie hatte abgeschaltet, ich bin immer nur auf die Sprachbox gekommen.»
«Als Sie die Vermisstenanzeige aufgegeben haben, sagten Sie, Ihre Frau sei mit dem Auto unterwegs gewesen. Ist das richtig?»
Er nickte, ohne aufzusehen. Knüllte das Taschentuch in seiner Hand.
«Ein roter Honda Civic?»
«Ja.»
«Eines müssten wir noch wissen, Herr Papenberg.»
«Ja?»
«Hatte Ihre Frau – hat sie besondere körperliche Merkmale?»
Nun sah er hoch. «Wie meinen Sie das?»
«Narben, auffällige Muttermale, Tätowierungen?»
Seine zitternde Hand fuhr an sein Gesicht, deutete auf eine Stelle rechts über seinem Mund. «Hier hat sie ein Muttermal. Ihr Markenzeichen.»
«Verstehe.» Florin räusperte sich. «Sonst nichts? Keine Tätowierungen?»
«Nein. Die fand sie immer geschmacklos.» Ein Schimmer von Hoffnung glomm in seinen Augen. «Vielleicht ist es ja doch nicht Nora?»
Beatrice und Florin wechselten einen Blick.
«Ich fürchte, daran besteht leider kein Zweifel», sagte Beatrice leise. «Nicht nur wegen des Muttermals.»
Fürs Erste war es genug. «Wir werden Sie dann nicht weiter stören. Können wir jemanden für Sie anrufen? Damit Sie nicht allein sind? Wenn Sie möchten, schicken wir Ihnen auch gerne jemanden vom Kriseninterventionsteam vorbei.»
«Meinen Bruder.» Papenbergs Stimme klang erstickt. «Ich rufe meinen Bruder an.»
Während er telefonierte, gingen sie aus dem Zimmer und warteten im Vorraum. Auf einer Kommode standen gerahmte Fotos: Nora Papenberg in allen Lebenslagen. Braungebrannt im Sommerkleid am Strand. In Wanderkleidung vor einem Gipfelkreuz. Mit Mütze und Daunenjacke beim Schneemannbauen, mit Freunden. Immer lachend und in Bewegung, aber unverkennbar die gleiche Frau, deren Leiche sie heute Morgen gesehen hatten.
«Zwischen ihrem Verschwinden und dem vermutlichen Todeszeitpunkt liegen fünf Tage», überlegte Beatrice laut. «Das ist lang.»
«Allerdings. Spricht dafür, dass sie vor ihrem Tod gefangen gehalten wurde. Was sagst du zu ihrem Mann? Ich denke, er spielt kein Theater.»
«Sehe ich genauso.»
«Richtig abklopfen müssen wir ihn trotzdem noch.»
«Sicher.»
Die Tür zum Wohnzimmer öffnete sich. Papenberg kam heraus, die Augen nun rot und verschwollen. «Mein Bruder wird in zwanzig Minuten hier sein. Wenn Sie keine Fragen mehr haben …»
«Natürlich. Wir lassen Sie jetzt allein.» Sie waren schon an der Haustür, als Beatrice bemerkte, dass sie noch das Bild mit dem Schneemann in der Hand hielt. Sie fühlte, wie sie rot wurde, und wollte es zurück auf die Kommode stellen, doch Papenberg nahm ihr das Foto aus der Hand.
«Das war ein so schöner Tag. Wie aus gesponnenem Zucker», flüsterte er. «Hat Nora damals gesagt. Eiskalt und klar. Sie liebt den Schnee so sehr, die Natur, alles.»
«Es tut mir leid», murmelte Beatrice und verabscheute sich für diese
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