Fuer den Rest des Lebens
dass eine neue Pizzeria aufgemacht hat, sollen wir eine Pizza essen? Doch jetzt begegnet sie einem distanzierten Blick, hört eine kühle Stimme, die antwortet, ein andermal, Mama, ich habe keine Zeit, aber für ihre Freundinnen hat sie mehr als genug Zeit, denn sie verabredet sich sofort mit Tamar oder mit Schiri, verschwindet, als würde sie vor ihr fliehen, und Dina begleitet sie mit einem eingefrorenen Lächeln, versucht, ihre Kränkung zu verbergen, den sonderbaren Schmerz.
Hör doch auf, lass sie in Ruhe groß werden, schimpft Gideon immer, man könnte meinen, du hättest, als du herangewachsen bist, die ganze Zeit mit deiner Mutter zusammenstecken wollen. Aber sie antwortet nicht, ausgerechnet all die Dinge, die sie ihm sagen möchte, kommen nicht heraus und schwimmen in ihrem Bauch. Das ist etwas ganz anderes, meine Mutter hat meinen Bruder sowieso vorgezogen, meine Mutter war nie eine angenehme Gesellschaft, mit ihren düsteren Geschichten über den See, sie hat immer nur sich selbst gesehen, sie hat es nie geschafft, eine Mutter zu sein, sie hat es zu spät gelernt.
Das kehlige Jaulen des Katers drängt sich in ihre Gedanken, überdeckt das Klingeln des Telefons, während eine warme, haarige Flamme sich zwischen ihren Unterschenkeln windet. Wo warst du, Hase?, und sie wendet sich ihm zu, füllt seinen Teller mit Trockenfutter, wo warst du und was hast du getrieben? Aber der Kater beeilt sich nicht mit dem Fressen, er bleibt zwischen ihren nackten Füßen, reibt sich begeistert an ihrer Haut. So wandert er immer von einem zum anderen, als versuche er, sie alle drei mit seinem Schwanz zusammenzuhalten, als wolle er auf ihre, Dinas, Haut die Bedürfnisse ihres Mannes und ihrer Tochter notieren und die ihren auf die Haut ihres Mannes und ihrer Tochter, als sei dieser Kater, dieses ausgewachsene Tier, das wegen seines weißen Fells und seiner langen Ohren irrtümlich Hase genannt wurde, das einzige noch verbliebene Bindeglied zwischen ihnen, wie ein spätgeborener Sohn zum leisen Echo einer Familie wird, außer den Gegenständen natürlich, den Möbeln, den Wänden, dem Auto, den Erinnerungen.
Ihr ist aufgefallen, dass sie jedes Mal, wenn sie sich an ihre Tochter wendet, mit einer Erinnerung beginnt. Weißt du noch, wie wir in jenem Park gespielt haben? Wir haben so gern hier gesessen, wenn es dunkel wurde, als alle schon gegangen waren, da ist das Haus von Bar, erinnerst du dich, dass du zum Schlafen bei ihr bleiben wolltest, aber dann hast du mitten in der Nacht angerufen, dass wir dich holen sollen, und seither hat sie dich nicht mehr eingeladen? Weißt du noch, wie ich dich zum Kurs gebracht habe und wir uns anschließend hier ein Eis gekauft haben? Warum ist ihr die Bestätigung der Tochter so wichtig, was spielt es für eine Rolle, ob sie sich an dieses oder jenes Detail erinnert, schließlich will sie sie nicht daran erinnern, sondern an ihre Liebe, weißt du noch, dass du mich einmal geliebt hast, Nizan?
Wo war dieser Moment hergekommen, in dem das Gleichgewicht zwischen Erinnerungen und Bedürfnissen verloren ging? Nichts und niemand hat sie darauf vorbereitet, weder Bücher noch Zeitungen, weder ihre Eltern noch ihre Freunde. Ist sie die Einzige auf der Welt, die das in einem so frühen Stadium des Lebens wahrnimmt, ohne dass eine Katastrophe offensichtlich ist, die Erste, die spürt, dass die Waagschale, auf der die Erinnerungen liegen, überläuft, während die Schale mit den Hoffnungen federleicht ist, ist sie die Einzige, die versucht, den früheren Zustand wiederherzustellen?
Genug, sagt sie, es reicht, hörst du, Hase? Es reicht, aber der Kater lässt nicht locker, er schmiegt sich fest an sie, hebt den muskulösen Schwanz, als biete er ihr die Essenz der zu erwartenden Sommerwärme. Das ist nicht auszuhalten, sagt sie, plötzlich ist es zu heiß geworden, gerade war noch Winter, und jetzt, innerhalb eines Tages, haben wir Sommer, ohne Abstufung, ohne eine Zwischensaison, was für ein verlorenes Land, ein verzweifeltes Land, immer von einem Extrem zum anderen.
Denn der Geruch nächtlicher Lagerfeuer hängt noch in der Luft, die immer heißer wird, wie schwer fällt ihr das Atmen, vielleicht ist es auch nicht mehr nötig, in der letzten Zeit kommt es ihr vor, als seien auch die einfachsten Tätigkeiten zu kompliziert für sie, vielleicht ist ihr Antrieb nicht mehr stark genug. Früher, als Nizan sie brauchte, hatte sie wie eine Wilde geatmet, hatte Sauerstoff aus den Mündern der
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