Fuer den Rest des Lebens
ihres Vaters nagte, wie man an einem gebratenen Huhn nagt, wie sie seine Knochen auszutzelte, und bald würde sie auch ihr weniges Fleisch aufessen, ihre knospenden spitzen Brüste.
Zwei Brüste, zwei Schenkel, zwei Elternteile, zwei Kinder, und dazwischen sie selbst, die sich mehr mit ihren toten Eltern beschäftigt als mit ihren lebenden Kindern. Einen Sohn und eine Tochter hatte sie geboren, ein Kinderpaar, ein Spiegel des Paars, das sie geschaffen hatte, war herangewachsen, während das dritte Paar in der Familie, sie und ihr Mann, in ihren Augen immer nur eine provisorische Haltestelle zwischen zwei Hauptstädten war, und als sie jetzt ihre Füße auf den trotz der zunehmenden Hitze draußen noch kühlen Boden stellt, sieht sie es vor sich, das erste Paar, ihren Vater in der blauen Arbeitskleidung und die Mutter in einer weißen Seidenbluse und einem Faltenrock und mit dem Zopf, der ihren Kopf wie eine weiche Krone schmückt, und sie stehen am Ufer des Sees und lächeln ihr entgegen, winken mit den Händen zum stillen Wasser, das die Farbe von Milchkaffee hat.
Es ist schon spät, Chemda, du musst dich waschen und schlafen, sagen sie, deuten auf den See, als wäre er eine Waschschüssel, nur für sie allein bestimmt, schau mal, wie schmutzig du bist, und sie rennt kurzatmig auf sie zu, denn wenn sie sich nicht beeilt, wird der See wieder verschwinden, werden die jungen Eltern verschwinden, aber ihre Beine sind schwer, sie versinkt im dicken Morast, Mama, Papa, gebt mir die Hand, ich versinke. Mit dem letzten Rest ihres schwindenden Bewusstseins kriecht sie zum Telefon, ihre Kehle zieht sich zu, Dina, komm schnell, ich ersticke.
Dina, ihre Tochter, steht bewegungslos am Küchenfenster, betrachtet erstaunt die ineinander verflochtenen Kiefernnadeln, die sich ihr entgegenstrecken wie eine leere Hand, die um eine milde Gabe bettelt. Die graue Taube hat die Eier weggenommen, noch gestern Abend, vor dem Schlafengehen, hat sie auf die Fensterbank geschaut und die Eier gesehen, die ihr in der Dunkelheit aus dem Nest entgegenleuchteten wie zwei freundliche Augen, und sofort ist die Taube erschienen und hat sie mit ihrem Körper bedeckt. Wärme strahlte ihr von dem Taubenkörper entgegen, eine weiche Gelassenheit, eine süße Erinnerung. Was gibt es Einfacheres, als bewegungslos dazusitzen, Stunde um Stunde, wach, aber mit ruhigem Körper, ganz und gar konzentriert auf die Aufgabe. Sie hat die Eier weggenommen, ist in der dunklen Nacht aufgeflogen, ein weißes Ei im Schnabel, und hat es in ein anderes, rechtzeitig vorbereitetes Nest gelegt, um dann zurückzukommen, um das andere zu holen. Sind es ihre forschenden Blicke gewesen, die sie von hier vertrieben haben?
Was für ein seltsamer Schmerz, murmelt sie, während das Telefon klingelt, was für ein dummer Schmerz, wie überflüssig, hier zu stehen, in düsterer Ehrfurcht wie vor einem geschändeten Grabstein, und sie streckt die Hand nach der kleinen Wiege aus und zerbricht sie. Der Frühlingswind wird das Reisig in kürzester Zeit verstreuen, und es bleibt nichts zurück von dem Leben, das eine Woche lang hier pochte und sie mit einer seltsamen Erregung erfüllte, zwei Eier in einem Nest, zwei Eier, aus denen nichts schlüpfte.
Warum hat sie sie weggenommen?, fragt sie laut. In der letzten Zeit hört sie ihre Stimme immer häufiger, laut und überraschend, vor allem, wenn niemand in der Nähe ist, ihre Gedanken dringen ungebremst aus ihrer Kehle, und ausgerechnet ihre Stimme verrät sie, eine beschämende Einfachheit. Man muss Milch kaufen, hört sie sich mit feierlichem Nachdruck verkünden, als handle es sich um einen nationalen Auftrag, oder ich bin zu spät, oder wo ist Nizan. Es scheint, als sei diese Frage immer und immer wieder im Raum zu hören, der sie umgibt, und die Frage ist nicht, wo sich ihre einzige Tochter in diesem Moment wirklich befindet, daraufgibt es noch immer einfache Antworten, sie ist in der Schule oder bei ihrer Freundin oder auf dem Weg nach Hause, sondern wo ist das Herz, das die ganzen Jahre neben ihrem geschlagen hat und sich ihr jetzt entfremdet, mit kräftigen, energischen Schlägen gegen sie klopft. Wie verwandelt sich die natürlichste Liebe zu einer enttäuschten Liebe, fragt sie sich verwundert, folgt ihrer Tochter mit sehnsüchtigen Augen, versucht, sie mit denselben Verführungen zu locken, die sie früher hätte glücklich aufjuchzen lassen, Nizani, komm, wir backen einen Kuchen, komm, wir gehen ins Kino, hast du gesehen,
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