Fuer den Rest des Lebens
sich zwischen den Spielzeugregalen, und tagsüber sah sie ihn neben Nizan funkeln, wenn sie spielte, mit einem üppigen, honigfarbenen Schopf, mit braungrünen Augen, auch wenn sie malte oder wenn sie las oder wenn sie weinte, doch nun, da Nizan sich von ihr entfernt, entfernt er sich nicht, schließlich ist er immer ein sensibles Kind gewesen, ein nachdenkliches Kind, das erfüllte, was sie sich insgeheim gewünscht hatte.
Worauf wartest du, mach noch ein Kind, hatte ihre Mutter gedrängt, Nizan braucht einen Bruder oder eine Schwester, und du brauchst es, um dich von ihr zu lösen, und sie hatte spöttisch geantwortet, wirklich, Mama? So wie du dich von mir gelöst hast? So etwas nennt man Vernachlässigung, nicht Loslösung, merk dir das. In der Tiefe ihres Herzens wusste sie, dass ihre Mutter recht hatte, trotzdem zögerte sie, sie genoss es so sehr, sich ihrer Tochter zu widmen, ihr alles zu geben, was sie selbst nie bekommen hatte, ganz zu schweigen von Gideons hartnäckiger Weigerung, und immer hatte sie geglaubt, es sei noch nicht zu spät, es bleibe noch mehr als genug Zeit, ihn zu überzeugen. Von Zeit zu Zeit hatte sie es versucht, wir haben noch eine Chance auf Glück, Gideoni, komm, machen wir es, bevor es zu spät ist, doch er war dann sofort zurückgewichen, woher weißt du, dass es Glück sein wird, vielleicht wird es das Gegenteil? Uns geht es doch gut so, warum sollen wir das aufs Spiel setzen? Warum sollen wir das gefährden, was wir haben, für etwas, was wir nicht kennen?
In was für eine Welt willst du noch ein Kind bringen?, hatte er sie zurechtgewiesen, als hätte sie ihm eine unnatürliche und widersinnige Forderung vorgetragen, du hast ja keine Ahnung, wo du lebst, begleite mich doch mal und lerne das Land kennen, nicht alle sitzen in einer bequemen Wohnung und sprechen über Glück, es gibt Leute, für die ist ein Kind ein zusätzliches Maul, das man stopfen muss, und sie hatte verwundert gefragt, was hat das damit zu tun, als wäre das Kind, das sie auf die Welt bringen wollten, dazu bestimmt, einem anderen das Essen vom Mund zu rauben, und wieder hatte sie nachgegeben, sie hatte Angst, ihn zu etwas zu zwingen, und sie hatte selbst Angst vor einer Veränderung. Ging es ihnen gut? Ja, es war ziemlich gut, Nizan ohne Konkurrenz aufzuziehen, nicht wie sie, die voller Eifersucht und Hass auf ihren jüngeren Bruder aufgewachsen war, und die Kleine erblühte, eingehüllt in Liebe, warum sollte sie das gefährden, was da war, für etwas, was sie nicht kannte? Ja, es klang überzeugend, fast hat es sie überzeugt. Dann hatte sie in ihren Seminaren die Studentinnen gesehen und wie sie, während sie vorne über die Vertreibung der spanischen Juden dozierte, ihre aufgeregten Hände auf die geschwollenen Bäuche legten, sie sahen nicht aus, als würden sie ihr Glück gefährden, sondern im Gegenteil, als würden sie es erweitern, und in der letzten Zeit ist in ihr der Verdacht gewachsen, dass sie recht haben, dass sie diejenige ist, die sich geirrt hat, und dass es zu spät ist, den Fehler zu korrigieren. Ausgerechnet sie, die sie unterrichten soll, hat das Buch des Lebens nicht richtig gelesen, denn die Nizan von heute ist nicht mehr das süße, liebevolle Mädchen, das sie einmal war, die ungeduldige junge Frau, die ihr die Tür ihres Zimmers und die Tür zu ihrem Herzen vor der Nase zuschlägt, wird sie nicht mehr allein durch ihre Existenz für die Kinder entschädigen, die sie nicht geboren hat.
Reg dich ihretwegen nicht auf, sagen die anderen, freu dich, dass sie es wagt, nach dir zu treten, das ist ein Zeichen, dass sie richtig erwachsen wird, sie muss sich von dir lösen, aber sie wird wiederkommen, genieße inzwischen deine freie Zeit, vielleicht wirst du ja endlich deine Dissertation schreiben. Alle wissen, was sie ihr sagen sollen, Gideon, ihre Mutter, ihre Freundinnen, alle servieren ihr Worte wie Medizin gegen eine beschämende Krankheit, aber was soll sie damit anfangen? Kann sie diese Worte in den Armen wiegen, kann sie mit diesen Worten einen Spaziergang machen, wenn die Luft etwas abkühlt, ihnen den Mond und die Sterne zeigen? Sie verabscheut diese Worte, sie tun ihr weh, ein seltsamer Schmerz lugt zwischen ihren Rippen hervor wie durch ein Gitter, er ist es, den sie pflegt, und er ist wohlgenährt und entwickelt sich gut, innerhalb kürzester Zeit ist er aus der Schnecke zu einem fordernden und bedrückenden Wesen geworden, das ihr das Atmen erschwert und Wellen von Übelkeit
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