Für hier oder zum Mitnehmen?
am Eckeingang, drücke meine nasse Backe an die nasse Wand. Ich kann nicht sagen warum, es passiert einfach. Und es fühlt sich merkwürdig warm an – Beton, der trocknet, erzeugt Wärme. Auf dem Weg zur Straßenbahnhaltestelle bemerke ich, dass sich mein Portemonnaie nicht mehr in meiner Jacke befindet. Glücklicherweise habe ich noch den Euro in meiner Hosentasche.
1.
DER MANN FÜRS WESENTLICHE
E s klopft energisch an der Tür.
»Ja bitte!«, rufe ich laut, um gegen den Lärm der Lüftungsmotoren anzukommen.
Die Tür öffnet sich, ein Mann mittleren Alters, gekleidet in einen weißen Kittel, steckt vorsichtig den Kopf herein. Unter seinem linken Arm klemmt eine abgegriffene Ledermappe. Er hält sie so, als müsse er sie schützen, da sie ihm jeden Moment entrissen werden könnte.
»Guten Tag! Das Fräulein unten im Erdgeschoss sagte mir, dass ich hier den Chef finden könnte.«
Mein erstes Büro befand sich im Lüftungsraum, auf halber Treppe zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss. Die beiden Etagen sind durch eine großzügige, alte, knarrende Holztreppe miteinander verbunden, deren Mitte ein offenes Treppenauge umfasst. Die Gebrüder Aschinger betrieben im Erdgeschoss eine Bierhalle und im Obergeschoss einen Tanzsaal. Die Toiletten befanden sich in einem kleinen Raum auf halber Treppe. Dort, wo heute die Lüftungstechnik untergebracht ist.
»Ich bin der Chef.« Ich lächele den Mann im weißen Kittel an.
»Ich komme vom Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt Berlin-Mitte. Es geht um Ihre Gaststättenkonzession. Im Besonderen um den Nachweis einer Personaldusche.«
Die Personaldusche! Einige Wochen zuvor hatte ich den entscheidenden Termin zur Erteilung der Gaststättenkonzession im Rathaus Mitte. Alle Bedingungen dafür wurden von mir erfüllt – was nicht ausgesprochen einfach war. Einzig eine Personaldusche fehlte noch. Die sonst so strenge und unbarmherzige Dame im Amt gab mir zwischen den Zeilen zu verstehen, dass ich das Café trotzdem schon eröffnen könne, sobald ich die Dusche errichtet hätte.
»Ich gehe davon aus, dass Sie das sehr zeitnah umsetzen werden.« Dabei klimperte sie erstaunlich heftig mit ihren Augenlidern. Dass einer ihrer Kontrolleure so schnell hier auftauchen würde, damit hatte ich nicht gerechnet, denn das Klimpern ihrer Augenlider war so heftig gewesen, dass ich mir einbildete, sogar einen kleinen Windhauch zu verspüren.
Das Betreiben einer Gaststätte mit Speisenabgabe ohne Konzession ist streng verboten und führt in der Regel zu ähnlichen Konsequenzen wie das Führen eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis. Ich hoffe, dass Klamotte die Dusche mittlerweile eingebaut hat. Ich selber hatte das inzwischen ganz vergessen. Das Café hat seit ein paar Tagen geöffnet, es sieht allerdings nicht so aus, da sich nur selten ein Gast darin befindet.
»Die Personaldusche? Ja, die haben wir ordnungsgemäß installiert. Sie befindet sich direkt über den Gasträumen im zweiten Stock.« Ich gehe jetzt das volle Risiko ein, Klamotte wird den Job schon erledigt haben.
»Sie haben ja noch nicht offiziell eröffnet, nehme ich an?«
»Nein, wo denken Sie hin? Wie sollte ich ohne Ihre Genehmigung eröffnen, das würde ich niemals wagen«, stoße ich entrüstet hervor und wundere mich über meine Schlagfertigkeit.
Ich trete aus der Lüftungskammer und luge vorsichtig an dem Lebensmittelaufsichtsamtskontrolleur vorbei. Keine Menschenseele, außer Milena und Shanti, die vor der Tür stehen und eine Raucherpause machen. Milena, meine forsche, gutaussehende Kellnerin, die gerade mit einer glühenden Zigarette im Mundwinkel ihr langes, nussbraunes Haar zu einem Zopf bindet, und Shanti, mein spiritueller Koch mit indischen Wurzeln, die man ihm deutlich ansieht.
Der Vermieter hat mir während der Renovierungsphase freundlicherweise das leerstehende zweite Stockwerk direkt über dem Café als Lager überlassen. Da die Installation der Personaldusche im Keller sehr aufwendig und teuer gewesen wäre, gab mir Klamotte den Tipp, sie im zweiten Stock aufzustellen, im Vorraum der Toilette.
Klamotte wurde in der Torstraße geboren, nicht weit vom Café entfernt, und ist zu Ostzeiten als Klempner, Gasmann und Elektriker ausgebildet worden. Lange arbeitete er für die Städtischen Gaswerke Ostberlins in der Abteilung Gasnotdienst. Er ist wie ein Schweizer Taschenmesser für Gastronomen.
In den letzten Tagen vor der Eröffnung, als es mit der Zeit knapp wurde und ich Sorge hatte, den Termin, den
Weitere Kostenlose Bücher