Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
angesichts des scheuen, aber leidenschaftlichen Interesses fühlten sie sich plötzlich wie unter einem Brennglas.
Margaret schüttelte eilig den Kopf, doch Sarah antwortete etwas schüchtern: »Mein Sohn versucht sich als Lyriker. Noch hat er nichts veröffentlicht, aber wir hoffen das Beste.«
»Keine Schriftsteller in der Familie?«, drängte die Journalistin weiter, als habe sie die Information über Spud nicht wahrgenommen.
Sie schüttelten die Köpfe.
»Wissen Sie, trotz all der Aufmerksamkeit und Publicity habe ich das Gefühl, dass vielleicht niemand die Frau, die sie wirklich gewesen ist, erkannt hat.«
Margaret verzog abweisend die Miene. »Was kann man von Zeitungen schon erwarten?« Und dann fügte sie kategorisch hinzu: »Unsere Mutter war sehr verschlossen.«
»Das scheint mir auch so«, bemerkte Jenny mit Nachdruck. »Sie müssen doch manchmal gedacht haben, dass das gar nicht sie sein kann, die das alles geschrieben hat.«
»Nun ja!« Sarah schien über diese Einsicht erstaunt.
»Wir kannten sie besser als jeder andere«, warf Margaret pointiert ein, was sehr kühl und wenig ermutigend klang.
»Aber natürlich«, stimmte Jenny zu. Es entstand eine peinliche Pause, bevor sie ausrief: »Das sind die beiden doch, oder?« Sie hatte sich auf ihrem Stuhl herumgedreht und deutete auf ein Schwarz-Weiß-Foto in glänzendem Silberrahmen, und die beiden Schwestern hatten das Gefühl, dass sie nur auf diese Gelegenheit gewartet hatte. Vermutlich hatte sie angenommen, das Foto habe immer auf diesem Tisch gestanden. Tatsächlich hatte es bis zur Beerdigung seinen Platz in einem der Schlafzimmer im ersten Stock gehabt. Erst Sarah hatte es heruntergestellt, wie um eine interessante Kulisse aufzubauen, und Margaret hatte es vom Staub befreit.
»Am Tag ihrer Verlobung«, sagte Sarah.
Jenny stand auf. »Darf ich?«, fragte sie mit ihrem schüchternen Lächeln und hielt das Foto gegen das Licht. Sie betrachtete es etliche Minuten lang – den gut aussehenden, eleganten Vater, ihre zauberhafte Mutter als Kindbraut, an den Stamm eines Baumes gelehnt, vor dem Hintergrund einer imposanten weißen Hausfassade. »Wow! Wo ist das aufgenommen worden?«
»Vor dem Haus, in dem unsere Mutter aufgewachsen ist«, antwortete Margaret.
»Es hieß ›Far Point‹«, warf Sarah beflissen ein.
»Sieht ja riesig aus. Hatte sie Geschwister?«
»Nein, sie war das einzige Kind. Ihr Vater starb, als sie sechs Jahre alt war.«
Jenny verzog mitfühlend das Gesicht.
»In den Nachrufen war nichts darüber zu lesen«, fuhr Sarah fort, »aber er wurde im Ersten Weltkrieg verwundet. Er war so was wie ein Kriegsheld.«
»Dann lebte sie dort allein mit ihrer Mutter. Und dem Personal, nehme ich an?«
Sarah nickte souverän. »Einer ganzen Menge Personal sogar. Aber die meisten haben das Haus vor dem Krieg verlassen. Allerdings hat Daddy einmal von einer Haushälterin und Mädchen für alles gesprochen. Sie ist offenbar geblieben. Er war Ende 1943 dort einquartiert worden und war um einiges älter als Mummy und bereits ein hochdekorierter Offizier. Er hat den D-Day – die Landung in der Normandie – mit vorbereitet. Ein Großteil der Landetruppen sind von dieser Küste aus gestartet, und er gehörte zum Planungsstab. Alles hoch geheim. Er hat nie darüber gesprochen. Aber Mummy hat uns erzählt, dass die gesamte Gegend jahrelang Sperrgebiet war. Niemand konnte ohne Passierschein raus oder rein.«
Jennys Aufmerksamkeit richtete sich auf ein zweites Foto, das von jeher im Zimmer gestanden hatte. Es war viele Jahre später aufgenommen worden und zeigte ihren Vater mit glitzernder, ordengeschmückter Brust, die Mutter in einem langen, weißen Abendkleid und mit Brillantschmuck. Sie standen vor einem eleganten Kaminsims. Ein exotisches Blumenarrangement schmückte die Feuerstelle. Aus den jungen Leuten auf dem Verlobungsfoto war ein faszinierendes Paar geworden. »Große Güte! Er war General, oder?«
»Ja, es ist in Nigeria aufgenommen worden.« Sarah fuhr eilfertig fort: »War ein großes Abenteuer für uns, die Schulferien dort zu verbringen. Wir kamen uns sehr besonders vor.«
»Da haben Sie doch sicher viele Fotos?«
Sarah lachte laut auf. »Massenweise! Irgendwo müssen noch Filme sein, die nie entwickelt wurden.« Erklärend fuhr sie fort: »Meine Mutter konnte nichts wegwerfen. Sie können sich nicht vorstellen, was sich hier alles angesammelt hat!« Sie verdrehte die Augen. »Deshalb sind wir eigentlich hier. Zum Aussortieren
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