Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
verhindern, dass noch mehr mordende Hunnen ihr Glück zerstören konnten.«
»Zwanzigster Mai 1944«, las Jenny laut. Dann betrachtete sie die alten Fotos: Frederick in Offiziersuniform, Celia in einem knielangen, cremefarbenen Kleid, über Busen und Hüften gerafft, einen kleinen, flachen Hut schräg auf dem Haar, vor einem Gebäude postierend.
Margaret hatte die Bilder stets für peinlich gehalten. Sie verbreiteten unterschwellig eine fast spürbare Aura von eindeutiger Sinnlichkeit. Und das war nicht etwas, das sie mit ihren Eltern in Verbindung bringen wollte. Ihr Vater sah seltsam erleichtert aus, beinahe so, als habe er bis zur letzten Minute gefürchtet, seine blutjunge Braut könne einen Rückzieher machen. Aber darüber hätte er sich keine Sorgen machen müssen, denn Celia schien wie benommen vor Glückseligkeit. Allerdings hatte das Album vielleicht auch sie peinlich berührt, denn seit Margaret denken konnte, war es in einer Schublade weggeschlossen gewesen.
»Ihre Eltern haben nicht kirchlich geheiratet?«
»In Caxton Hall«, erwiderte Sarah. »Sehen sie nicht glücklich aus?« Ihre Stimme bebte gefährlich, und Margaret begriff, dass sie auf ein Stichwort hoffte, ihre eigene Geschichte loswerden zu können. Dann deutete sie auf eine Frau mittleren Alters im Hintergrund. »Das ist Mummys Mutter. Und die beiden Mädchen hier sind ihre besten Freundinnen, Bet und Priscilla. Beide sind noch so fit, dass sie zu ihrer Beerdigung kommen konnten. Dem Himmel sei Dank!« Sie warf Jenny einen traurigen, bedeutungsschwangeren Blick zu. »Hochzeiten! Wir glauben doch alle, dass man danach auf das Glück abonniert ist.«
»Bei Ihren Eltern hat’s funktioniert«, bemerkte Jenny.
»Sie hatten Glück«, flüsterte Sarah.
»Ich beneide diese Generation.« Jenny seufzte. »Man denkt, schreckliche Zeiten, nicht wahr? Drohende Besatzung, Tod, der hinter jeder Ecke lauert, Elend … Aber eigentlich ist unser Leben dagegen doch langweilig. Ah, diese Leidenschaft von damals!« Sie schien zu frösteln, so als beunruhige sie das Wort. »Oh, ja sie hatten wirklich Glück.«
Margaret runzelte beim Gedanken an das Leben ihrer Mutter die Stirn: Privilegierte Kindheit und Jugend auf einem herrlichen Anwesen, eine bekanntermaßen glückliche Ehe mit einem hochdekorierten Offizier, Reisen in exotische Länder, das schöne Haus, in das sie zurückkehrten, Kinder und Enkelkinder. Und als sei das noch nicht genug, eine langjährige erfolgreiche Karriere, die am Ende mit Elogen der Kritiker bedacht wurde gleich einem Finale mit Posaunen und Trompeten. Natürlich hatte sie mit der Krankheit ihres Mannes leben müssen. Aber sie hatte ihn geliebt. Und Margaret, die in einer unglücklichen Ehe in der Falle saß, war der Meinung, dass das alles andere aufwog.
Jenny fragte beinahe scheu: »War es Liebe auf den ersten Blick?«
»Romantik pur«, erwiderte Sarah mit traurigem Lächeln.
Margaret zog eine Grimasse, denn zweifellos könnte die Begegnung ihrer Eltern aus einem der Liebesromane stammen, die ihre Mutter geschrieben hatte, und natürlich hatten sie glücklich und zufrieden gelebt bis an ihr Lebensende. Gleichermaßen zutreffend – wenn auch nie offen zugegeben – war die Tatsache, dass sich die Kinder aus dieser Ehe oft zutiefst allein gelassen gefühlt hatten.
4
Das Beste, das einem Schriftsteller passieren kann,
ist, Außenseiter, Zaungast sein zu dürfen,
dessen Existenz die anderen gar nicht wahrnehmen.
KEIN DATUM. SCHWARZES NOTIZBUCH.
Im Jahr 1933, als Celia sieben Jahre alt war, zogen sie und ihre Mutter nach Far Point. Wenn auch im Vergleich mit anderen Landsitzen nicht der imposanteste, so war es doch das größte Haus, das sie je gesehen hatte: Ein Gebäude, das so verwinkelt angelegt war, dass sie lange Zeit glaubte, es handle sich um zwei getrennte Trakte. Mit einem Mal ersetzte das alles andere als bedrohlich klingende Geschrei der Möwen die frühere Geräuschkulisse. Außerdem war sie dem alten Leben so unvermittelt entrissen worden, dass die lückenhafte Unwirklichkeit früherer Albträume sich sehr bald in Erinnerungen auflöste.
Erst in den Siebzigern des vorausgegangenen Jahrhunderts kehrten Einzelheiten ihrer frühen Kindheit zurück. Es war nicht nur die ständige Angst vor dem, was ihr Vater als Nächstes tun würde, sondern der Geruch nach Kartoffelbrei, wenn die wöchentliche Wäsche im Kupferkessel brodelte, und die silbrigen Spuren, die die Schnecken auf dem hölzernen Abtropfbrett
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