Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Schwester den Hinweis sparen können.
»Warum hat sie uns nicht gewarnt?«
Margaret zuckte mit den Schultern.
Sie hatten das bereits hinlänglich diskutiert. War es ihr Fehler, wie Margaret mit dieser hilflosen, gereizten Geste andeutete, dass ihre Mutter sie nicht gewarnt hatte, was nach ihrem Tod geschehen würde? Oder war es möglich, dass diese bescheidene Frau nie mit solchen Folgen gerechnet hatte? Die Familie stand unter Schock und musste doch nach außen hin Haltung wahren.
Während sie am Küchentisch der Mutter saßen, und sich eine bereits zur Hälfte ausgetrunkene Flasche guten Weines aus deren Keller teilten, hatten die Schwestern noch immer das Gefühl, sie müsse jeden Augenblick die Küche betreten: klein, vom Alter leicht gebeugt, aber noch immer voller Wissensdurst, Humor und mit hervorragend funktionierendem Gedächtnis. »Oh, das ist gut«, hätte sie auf ihre höfliche Art erklärt, »der Sancerre musste getrunken werden.« (Auch wenn er eigentlich für die seltenen Einladungen zum Abendessen bestimmt gewesen war.) Sie hätte sich zu ihnen gesetzt, um mit ihnen dem Wind zu lauschen, der im Kamin heulte, während Regentropfen wie Tränen über die Fensterscheiben rannen. Sie hätte über die von Robert überall ausgehängten Listen milde gelächelt, sich über seinen komplizierten Plan für jenen Tag amüsiert, an dem sich die Trauergäste nach dem Begräbnis im Haus versammeln würden. Aus dem ehemaligen Arbeitszimmer des Vaters nebenan drang der Klang seiner Stimme, während er mit der Stoppuhr seine Ansprache übte.
»Ich habe nicht die Absicht, mit Ihnen nicht über meine Mutter als Schriftstellerin zu sprechen«, hörten Margaret und Sarah ihn umständlich formulieren. Dann hielt er abrupt inne und begann von Neuem. »Ich stehe nicht hier, um über die Werke meiner Mutter zu sprechen. Das haben Berufenere als mich längst erledigt … Verdammter Mist!«
Die Schwestern lächelten.
»…das haben Berufenere als ich längst getan …«, verbesserte er sich.
Im Haus war die Aura der Mutter noch sehr präsent. Während die Schwestern auf einen Kalender an der Wand starrten, der nach dem zehnten August ohne jede Eintragung in ihrer zierlichen Handschrift geblieben war, erwarteten sie noch immer, das Klopfen ihres Gehstocks zu hören, ihr leises Summen eines Schlagers aus Kriegszeiten, so als verkläre sie in sentimentaler Erinnerung jene schlimme Zeit. Allerdings empfanden die Geschwister ihre Wut auf die Mutter als seltsam tröstlich. Natürlich hätte sie sie auf alles vorbereiten müssen!
Tatsächlich allerdings war ihre schriftstellerische Arbeit von der Familie einfach ignoriert worden. Ihr Vater hatte den Ton angegeben. »Nur löblich, wie ausdauernd Mummy bei ihrer Schreiberei bleibt«, hatte er kommentiert und sofort entschuldigend hinzugefügt: »Nicht meine Welt, fürchte ich.« Also hatten auch sie, die Kinder, kein einziges ihrer Bücher je gelesen. Rückblickend erschien es beinahe, als habe die Mutter dem auch noch Vorschub geleistet. »Nichts als heiße Luft«, hatte sie einmal lachend ihre Arbeit bezeichnet. Auf diese Weise war es geschehen, dass sie, als ihre Mutter mit sechsundsechzig Jahren einen Roman geschrieben hatte, der die Aufmerksamkeit der Kritiker erregte, dies ebenfalls nicht wahrgenommen hatten. Auch wenn es das erste Buch war, das unter ihrem richtigen Namen veröffentlicht wurde.
Jetzt betrachteten sie die Fotos von ihr in den Zeitungen, lasen einen ausführlichen Nachruf nach dem anderen und hätten am liebsten mit einem einzigen Telefonanruf vor aller Welt klargestellt, dass die für die Öffentlichkeit so prominente Person eigentlich für sie nur ihre Mutter gewesen war. Stattdessen wurde Celia von einer der bekanntesten Romanschriftstellerinnen als die Frau bezeichnet, die mit Liebesromanen begonnen und sich zu einer »Bildhauerin der menschlichen Seele«, zu einer Autorin »von großer Leidenschaft und Wahrhaftigkeit« entwickelt habe. Auch die Boulevardblätter hatten sich des Themas angenommen – mit peinlichen (und falschen) Schlagzeilen wie »Die Achtzigjährige, die Pornos schrieb«. Das Salz in der Suppe dabei war natürlich, dass Celia mit einem bekannten, ranghohen Armeeoffizier verheiratet gewesen war. Zumindest hatten alle ihre »glückliche Ehe« hervorgehoben – das Einzige, das die Familie nicht überraschen konnte.
Als Witwe hatte Celia einen leeren Raum unter dem Dach als Arbeitszimmer genutzt, der stets verschlossen geblieben war.
Weitere Kostenlose Bücher