Für immer in Honig
er auf seine unvermeidliche Pleite einigermaßen gelassen wartete: »Ich will dabei vor allem lernen. Vielleicht mache ich danach einen Kleinverlag auf. Man muß seinen Ehrgeiz vor allem darauf richten, auf möglichst viele verschiedene Arten keinen Erfolg zu haben.«
He was high on intellectualism
I’ve never been there but the brochure looks nice
Sie unterhielten sich sehr gut, zwei Stunden lang: Salman Rushdie, Sheryl Crow, Jill Sobule, Alison Krauss, Countrymusik allgemein, Jugendkriminalität, der 11. September, George W. Bush, Bill Clinton, New York, Parfüm, beschemseltes Zeug aus aller Welt.
Dann waren sie komplett betrunken und gingen zusammen auf sein Zimmer. Dort zerknüllten und verwuschelten sie schön fleißig die froschgrünen Laken und ihre Frisuren. Es war ein Anfang.
Hätte Freddy Schörs damals, während der ansonsten so stumpfsin nig-angstbeladenen Messe, außer den Literaturbeilagen der großen überregionalen deutschen Tageszeitungen im Hotel beim Frühstück auch die regionalen Frankfurter Nachrichten studiert, wäre ihm vielleicht beiläufig, ohne daß er ihn erkannt hätte, der wahre, in der Tat beru flich e, aber alles andere als kulturelle Grund für Beates Anwesenheit unter die Augen gekommen. Zu seiner Ehre darf man aber sagen, daß er selbst im unwahrscheinlichen Fall, daß ihm irgendein Lektüredetail die richtigen Verbindungen zwischen den Tatsachen suggeriert und ihn also auf einen zutreffenden Gedanken darüber, womit Beate ihr Geld verdiente, gebracht hätte, weiterhin an ihr interessiert geblieben wäre. Wahr scheinlich wäre sie durch dergleichen sogar noch interessanter für ihn geworden. So tickte er nun mal, crazy little thing called love .
Die Idee einer einigermaßen vernünftigen, tragödienfreien Lebensplanung hatte ab dem Moment jener Bar-Begegnung im Zeichen der relaxten Sheryl aber nicht nur bei ihm, sondern bei allen beiden nichts mehr zu bestellen: Springen wir rein, auf geht’s.
2 Gründe und Anlässe: daß ich das immer verwechseln muß, dachte Beate später, als nichts mehr zu ändern war.
Sie hatte angenommen, daß ein möglicher, ja sogar ein klassischer Grund dafür, den Wohnsitz aufzugeben und mit dem Liebsten zusammenzuziehen, der sein konnte, daß man den Beruf, den man hatte, nicht unbedingt an dem Ort ausüben mußte, wo man bis dahin gewohnt hatte.
Weil bei ihr zu einer grundsätzlichen Mobilität dieser Art in letzter Zeit immer deutlicher hinzugekommen war, daß sie sich vor lauter Geld und Erfolgen gar nicht mehr recht sicher war, ob sie den blöden Beruf überhaupt viel länger ausüben wollte und es nicht vielleicht vorzog, sich mal ein halbes bis dreiviertel Jahr auf ihrem Giropolster auszuruhen, war die Sache im Prinzip schnell geklärt: Sie würde also zu Freddy ziehen, in sein kleines, winkliges, moosiges, seltsames Freiburg im Breisgau, und dort ihr Leben überdenken, das jetzt schon spektakuläre 28 Jahre gedauert hatte, was bei ihrem Beruf alles andere als selbstverständlich war. Sechs ihrer liebsten Kolleginnen und Kollegen aus der schönen, aber schweren Anfangszeit vermoderten in irgendwelchen Särgen auf irgendwelchen Friedhöfen, drei weitere wurden nie gefunden. Vielleicht, nahm sie an, konnte ihr Leben mindestens noch mal 28 Jahre dauern, vorausgesetzt, sie wechselte den Beruf.
Die dauernde Lügerei war jedenfalls schlecht für die Haut, verursachte vermutlich auch die lästige Migräne, über die Beate in letzter Zeit zu klagen hatte, störte ihren Schlaf, beschleunigte den Haarspliß. Man mußte, sagte sie sich, öfter zur Coiffeuse, und die wiederum ging ihr auf den Geist, wovon der Spliß nur noch schneller kam, ein Teufelskreis.
Gründe und Anlässe: Der wahre Grund dafür, daß sie zum Liebsten zog, hätte einfacher nicht sein können; der Liebste war halt der Liebste. Alles andere, also ob man außerdem bei Gelegenheit so eines Umzugs auch noch den Job wechseln, ein paar Gramm abnehmen, die Haare anders färben oder eine neue Religion auswendig lernen mochte, lief bei normalen Menschen unter »Anlässe«.
Wenn Bea Eich das klar gewesen wäre, bevor sie sich in den Intercity setzte, dann hätte das, was folgte, vermieden werden können. Vielleicht nämlich – skandalös revolutionäre Idee – hätte sie Freddy dann die Wahrheit sagen können, vielleicht hätte sie das sogar müssen. Zur Begründung dafür, daß sie das nicht tat, hatte sie sich etwas scheußlich Lahmes ausgedacht: Es ergab sich eben nie.
Etwa
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