Für immer tot
Bewegung, jede Sekunde, in der ich wach bin. Ich kann nicht, Baroni.
– Was soll ich denn noch tun?
– Es ist wie Hunger. Sie fehlt mir so.
– Es wird nicht besser, wenn du dich hier vergräbst.
– Es ist alles kaputt.
– Ist es nicht.
– Sie wird da unten verfaulen, sie wird von den Würmern gefressen, wie all die anderen.
– Der Friedhof ist wunderschön.
– Nein, Baroni.
– Das Grab ist perfekt, ich habe persönlich die Arbeiter beaufsichtigt. Du hättest es nicht besser hinbekommen. Und der neue Pfarrer hat sehr schön gesprochen vorher in der Kirche. Vollkommen akzentfrei.
– Wie oft denn noch, Baroni?
– Sie spielen dein Lieblingskonzert.
– Was tun sie?
– Der Friedhof steht still, sie hören zu. Eine Viertelstunde schon, keiner rührt sich, sie hören einfach zu.
– Warum?
– Das stand in ihrem Testament.
– Sie hatte ein Testament?
– Ja. Du bist jetzt Würstelstandbesitzer.
– Sagt wer?
– Ist zwar noch nicht offiziell, aber das scheint sie aufgeschrieben zu haben. Sagt Paul. Sie haben es in ihrer Wohnung gefunden.
–
– Sie wollte, dass man es spielt beim Begräbnis, das Köln Concert, Max.
– Aber warum?
– Weil sie es geliebt hat. Weil sie dich geliebt hat.
–
– Sie würde wollen, dass du auf deiner Terrasse stehst und zuhörst, dass du deine beste Flasche aufmachst und mit uns auf sie trinkst.
– Es geht nicht, ich kann nicht, ich will nichts sehen, nichts mehr spüren, verstehst du, nichts mehr spüren.
– Sie wünscht sich das von dir, Max.
– Sie ist tot, einen Scheißdreck wünscht sie sich.
– Max, es reicht jetzt.
Mit Gewalt zieht er Max aus dem Bett, er weicht den Tritten aus, hält ihn fest, Max schlägt um sich, kratzt, beißt, trotzdem schiebt ihn Baroni ins Bad, unter die Dusche. Max brüllt, weint, wimmert, bricht zusammen, er hört auf, sich zu wehren. Wortlos nimmt er das Wasser. Wie er es über sich rinnen lässt, ohne Gegenwehr. Wie sich das Wasser Wege über seinen Körper sucht. Wie seine Augen offen sind und sich seine Tränen mit dem Wasser mischen. Wie er dasitzt, klein und zerbrechlich. Wie Baroni ihm die Seife in die Hand drückt und wartet. Wie das Wasser immer weiter nach unten fällt und Max sich wäscht, langsam, kraftlos. Wie Baroni ihn hochzieht, ihn abtrocknet, wie er ihn anzieht, ihm dabei hilft. Hose, Gürtel, Hemd.
Wie Max vor dem Spiegel steht. Dieses leere Gesicht, das weiße Hemd, die traurigen Augen. Wie Baroni ihn hinaus auf die Terrasse schiebt. Wie er neben Tilda stehen bleibt. Wie sie ihren Arm um ihn legt. Wie Max die Musik hört und nach unten schaut.
Hanni zwischen tausenden Blumen.
Das Klavier, wie es laut über den Friedhof hallt, wie es in jeden Winkel kommt, alles mit Schönem füllt. Hunderte Menschen und seine Lieblingsmusik. Hanni. Wie sie unten in dieser Holzkiste liegt. Wie schön sie war. Wie schön diese Musik ist.
Max steht einfach nur da und hört hin.
Das Klavier, die Sonne, überall sind Blumen.
In seiner Hand ein Glas. Langsam hebt er es und flüstert.
Ich liebe dich, sagt er.
Für immer, sagt sie.
Dank
Katharina Kramer
Hansjörg Mayr
Toni Walder
Petra Hatzer-Grubwieser
Martin Falch
Thomas Leis
Georg Hasibeder
Valerie Besl
Gerlinde Tamerl
Markus Hatzer
Michael Weiß
Henrik Eder
Peter Amhof
Ferdinand Treffner
Christof Dornauer
Bernhard Geiler
Anton Sint
Five for Fighting
James Blunt
One Republic
Jamie Cullum
Keith Jarrett
Danke an meine Frau Ursula.
Die Liebe in diesem Buch ist für dich.
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